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GELÖST: Frequenzgang bei 76 cm/ s
Verfasst: Montag 12. Februar 2007, 20:54
von Administrator
Hallo zusammen,
habe mich in den letzten Tagen mal in die technischen Daten meiner A816 eingelesen und habe mal eine technische Frage an Euch - vielleicht kann mir da ja mal jemand auf die Sprünge helfen...
Woran liegt es technisch gesehen eigentlich, dass bei einer Bandgeschwindigkeit von 76cm/s der Frequenzgang vor allem im unteren Bereich so stark nachlässt?
Konkret heisst es da in den Unterlagen:
Frequenzgang Aufnahme / Wiedergabe:
76 cm/s bei +/- 2dB= 40 Hz - 22 kHz
76 cm/s bei +/- 1dB= 60 Hz - 20 kHz
38 cm/s bei +/- 2dB= 30 Hz - 20 kHz
38 cm/s bei +/- 1dB= 40 Hz - 18 kHz
Eigentlich sollte man ja meinen das der Frequenzgang je schneller das Band läuft auch besser wird. Nach oben hin stimmt das ja sozusagen auch. Immerhin werden da maximal 22 kHz erreicht. Nach unten fehlen aber im Vergleich zu 38 cm/ s 10 Hz... Wo bleiben die und vor allem warum?
Es ist nicht so das ich die 76er Geschwindigkeit wirklich nutzen möchte. Mich würde das einfach nur mal technisch interessieren.
Vielen Dank!
Verfasst: Montag 12. Februar 2007, 22:35
von A721
Hallo Christoph,
ich denke, dass von Hans-Joachim (Phono Max) eine fachlich fundierte und überaus lesenswerte Aussage zu Deiner Frage kommen wird. Ich persönlich freue mich schon darauf, es macht eine Freude, Hans-Joachim´s Antworten zu lesen.
Verfasst: Montag 12. Februar 2007, 22:56
von PhonoMax
Bin schon da, danke für die Ehre...:
Lieber Christoph,
die Qualität bei 76,1 cm/s schlägt sich bei modernen Geräten (nebst adäquatem Magnetband) auch nicht unbedingt in einem weiter geglätteten Frequenzgang oder einem verringerten Restrauschen nieder, sondern in der bei 76 praktisch linearen Aussteuerbarkeit über den vom menschlichen Gehör (und damit den Musikinstrumenten) geforderten Frequenzbereich. Dies ist der einzige Vorteil, den 76 heute noch bietet, wenn man von den verbesserten Möglichkeiten des 'blutigen' Schnittes absehen will, den heute aber angesichts des digitalen Schnittes und seiner Irrsinnsmöglichkeuiten niemand mehr ungezwungen am 'Objekt' durchführt.
Nachteile gibt es aber bei 76 auch, und du sprichst einen durchaus prominenten an. Oberhalb von 19 cm/s geraten nämlich nicht unerhebliche Restwelligkeiten in den Wiedergabefrequenzgang, die dadurch bedingt sind, dass die Wellenlänge des aufgezeichneten Signales auf dem Band in die Größenordnung der Berührungsbreite des Bandes am Wiedergabekopf kommt. Bei niedrigen Bandgeschwindigkeiten bleibt dies unterhalb der Aufzeichnungsschwelle; von 19 an aber ist eine Resonanz um 38 Hz, bei 38 um 76 Hz und bei 76,1 cm/s um 150 Hz (mit einem jeweils eine Oktave später folgenden, etwas flacheren, aber immer noch sehr deutlichen Einbruch) zu beobachten. Man nennt das die Kopfspiegelresonanzen, die man durch spezielle Ausbildung der Bandanlageflächen minimieren, aber nicht beseitigen kann.
Wenn man sich überlegt, dass dies bei 76 den musikalisch bereits sehr relevanten Bereich zwischen 150 und 350 Hz betrifft (es°-f'!!), die Abweichungen im positiven Maximum 3 dB und im Einbruch danach etwa 2,5 dB ausmachen, muss man da kompensatorisch etwas tun. Das hat aber seine natürlichen Grenzen, zumal ja auch die Anlagebreite des Bandes am Wiedergabekopf verschleißabhängig ist, und es überdies schwerfällt, diese Beulen exakt herauszubiegen. Man versucht(e) sich deshalb zur Minimierung an speziellen Spiegelschliffen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Ansonsten zog man (auch die Raummoden schlagen in den genannten Bereichen zu, und das ungleich hörbarer!) insofern die Notbremse, dass man die Anforderungen an die Frequnezganglinearität etwas lockerte. Und ebendies fiel dir auf.
38 ist daher aber zum hervorragenden Kompromiss gewesen/geworden, als das Band mit dem Beginn der 1950er Jahre sich anschickte, hochwertig zu werden. Und folgerichtig zog mit der T9 die Entzerrung 35 µs (für 38 und 76), der 10-cm-Kern und eben der Umstieg auf 76,2 und 38 in die deutsche Rundfunklandschaft ein. Die Kopfspiegelresonanzen liegen bei 38 noch so tief, dass sie die Musik nicht stören (man schränkte ja ohnehin auf 40 Hz ein). Der Schnitt war mit 38 cm/s hochwertig möglich, der Geräuschspanungsabstand ließ seinerseits ebensowenige Wünsche offen wie der Frequenzgang, dessen ab T9 neue Obergrenze von 15 kHz tadellos einzuhalten war.
Die frühesten bekannten SRG-Aufnahmen auf einer Studer-A27 (diese Aufnahmen sind noch da: z. B. Rimsky-Korssakow, Russische Ostern) entstanden aber schon generell mit 38 cm/s auf Scotch 111 bei den Luzerner Festwochen 1951 unter persönlicher Aufsicht Willi Studers, denn der stand mit den Händen an der Hosennaht daneben. Es ging ja um etwas. Zeit seines Regensdorfer Lebens hatte er diese Aufnahmen als Symbole seines Einstieges in die Szene in Erstkopie ab SRG-Originalen in seinem Büro stehen.
Hans-Joachim
Verfasst: Montag 12. Februar 2007, 23:26
von Administrator
Hallo Hans Joachim,
vielen Dank für die ausführliche und wie gewohnt
sehr lesenswerte Auskunft!
Das die von Dir genannten Gründe letztendlich zu dem Frequenzverlust führen finde ich sehr interessant. Hätte auch nie gedacht das die Bewegung des Bandes am Kopf vorbei solche massiven Auswirkungen haben könnte. Aber siehe da...
In der Tat habe ich wie A721 übrigens auch auf Deine Antwort gewartet bzw. gehofft...
Was ich Dich sowieso mal fragen wollte Hans-Joachim:
macht Ihr beim BR in München eigentlich noch irgend welche Aufnahmen auf Band mit der M15a oder anderen Bandmaschinen? Nein, oder?
Bei meinem letzten Besuch vor ca. 3 Jahren bei Bayern3, existierte noch der analoge Sendekomplex für die Programme B1 bis B4 - es wurde aber gerade kräftig umgebaut und die Redaktion von B3 war damals schon ausgelagert in einen anderen Gebäudekomplex. Das B3-Studio war noch im Zustand wie in den 70er und 80er Jahren als in genau diesem Studio (natürlich nicht mit dem STUDER Selbstfahrerpult - das kam erst später) Thomas Gottschalk und Günther Jauch moderierten.
Ach ja... das waren noch Radiozeiten... *schwärm*. Habe sogar zwei Bilder dazu im Internet gefunden:
Heute ist da ja eh alles volldigital wie man auch über die Live-Cam sehen kann...
Habe mich eben nur gefragt ob man da im Bereich der doch sehr hochwertigen klassischen Musik evtl. noch wenigstens analog aufnimmit bzw. alte Aufnahmen ab- oder zuspielt? Aber auch da wird wohl nichts mehr laufen wie ich schwer vermute weil die Archivbänder höchstwahrscheinlich bereits digitalisiert sind...
Gruß
Verfasst: Dienstag 13. Februar 2007, 13:03
von PhonoMax
Lieber Christoph,
zunächst:
Ich bin und war zu keiner Zeit Angestellter des BR, was man vielleicht hätte anstreben sollen, aber nachher bin sogar ich klüger (...); dennoch ist der BR seit mehr als 50 Jahren mein Haussender und insofern nicht zuletzt Anschauungsobjekt bezüglich dessen, was so in dieser Branche in dieser Zeit abging, denn seit mehr als 40 Jahren steht er unter meiner systematischen 'Beobachtung'....
Freunde hat man dort natürlich schon auch aus beruflichen Gründen sitzen, wobei aber die alte, seit Jahrzehnten mit ihrem Institut menschlich verbandelte Gruppe (ja, sowas gab es mal...) die Flucht vor der neuzeitlichen Fluktuation und Marktgläubigkeit Richtung Ruhestand antritt bzw. angetreten hat.
Nachdem die Normung beim Rundfunk heute mehr denn je und mühsam nurmehr auf die "Schnittstellen" beschränkt ist, sucht sich jede Anstalt ihren eigenen Weg durch den Datendschungel und die damit verbundenen Probleme. So kopiert der BR nicht auf Deubel komm' raus sein komplettes Archiv, sondern vollzieht dies nach Bedarf, d.h. angefragte Archivaufnahmen werden dann, wenn sie gebraucht werden (und noch nicht im Archiv digitalisiert vorliegen) ad hoc aufgearbeitet (so nötig; aber da gibt es ja lustige Dinge!) und dann digitalisiert. Dafür existiert ein eigener Arbeitsplatz mit einer Sequoia-Vollversion, einer A816 (ist doch auch ein schönes Symbol, od'r?), einem EMT-PLattenlaufwerk und den dafür erforderlichen -auch analogen- Ausstattungen (Dolby A, TelcomC4 etc.)
Analoge aufgenommen, noch dazu im Produktionsrahmen, wird schon länger nichts mehr. Bei der Zurruhesetzung des BR-Urgesteins (seit den 1960ern..) Martin Wöhr, verfügte der BR zwar noch über eine Jahreslage von Magnetband; - man hätte also zurückgehen können, wenn man denn gewollt hätte. Davon wird nun aber sicher kein Gebrauch mehr gemacht werden. Man wird wohl einen Teil für irgenwelche Spezialaufgaben vorhalten, das war es dann aber mit dem Magnetophon nach Braunmühl und Weber. Nachdem der BR bis heute ein immer noch relativ engagierter Klassiksender ist ('mal sehen, wann die Steuerspindel übert die nächsten Knaggen angezogen wird), was er immer (und gemäß seiner Definitionen) war, gehörte er auch unter die Digitalpioniere.
Wir sollten uns nichts vormachen: Die analoge Technik ist unter den Kriterien, die akustische Musik (vulgo: Klassik, im weitesten Sinne) und tonmeisterliches Denken traditionell (also seit Beginn der Medientechnik fordern, der digitalen signifikant unterlegen. Ob sich dies in praxi, also bei fachlich solider Arbeit hörbar auswirkt, steht auf ganz anderen Blättern, deren eines aber gerade auch beim Großunternehmen Rundfunk (klassischer Prägung) auch die betriebliche Abwicklung ist; und speziell da hat digitale Technik (Produktion und Schnitt, Kopieren ohne Ende beim Rundfunk, platzmäßig geringe Ansprüche, Automatisierung) dann, wenn sie funktioniert (hüstel, das ist ein Problem, zugegeben! überdies ein schlecht planbares!!!) immer die Nase vorn.
Das rasante Veralten der Hardware, die labile Formatnormung, das ständige Aufkommen neuer, aber keineswegs besserer Produktgenerationen jedoch gehören zu den vielschichtigen Problemen der professionellen Betriebsabwicklung einer solchen Anstant, an deren Erwartungen sich die einschlägigen Industrien (in den USA, Malaysia, Taiwan, China oder hart links neben Timbuktu) nicht orientieren. Das z. B. führt dazu, dass heute der Markt weltweit keine CD-Player mehr hergibt, die sich professionellen Ansprüchen stellen könnten, dass der BR sich fürtchterlich quälte, einen Anbieter aufzutun, der einen Hauptschaltraum nach Anforderungen eines Rundfunkgroßunternehmens zu konzipieren und zu bauen willens gewesen wäre (mit den bekannten Erwartungen an Funktionsgarantie, Zuverlässigkeit etc. pp., all diese alten Tugenden....), bei hohen, aber vertretbaren Preisen.... Es wurde schlicht eng, sehr eng.
Nachdem man sich nicht mehr um technische Qualität bemühen muss und -wie in porfessionell analogen Tagen- erfolgreich bemühen kann), sie kommt letztlich vorgefertigt und vom Softwareingeneieur vordefiniert, vorwegkonzipiert, gerät dieses früher sehr bedeutende Kriterium für das Rundfunk- bzw. Tonträgermachen gleichsam als selbstverständliche Beigabe aus dem aktuellen Fokus. Der digitale Schlendrian -wie ich derlei als Altdigitaler von Anfang an nannte- ist zum (vertretbaren) Prinzip geworden. Dies äußert sich bei betroffenen Personal (und drüber hinaus) im Ausfallen eines Geschmackskodexes, der sich früher traditionell an den technischen Möglichkeiten und gewissen Hörerwartungen orientierte, an denen sich das Personal reiben konnte (oder besser: musste). Heute fallen diese Reibungsflächen weg und die "Kunst" (also die willkürliche Entscheidung über ein "Besser" und "Schlechter") beginnt schon vergleichsweise früh.
Bitte um Vergebung: Aber das führte in der Musikgeschichte eigentlich notorisch in die Scheiße. Dass derlei auch bedenkliche soziale (also 'berufssoziale') Folgen hat, sieht man daran, dass freie Mitarbeiter von privaten wie öffentlich-rechtlichen "Anbietern" (so heißt das heute ja so schön) eher im Internet nach Usancen fragen, die früher jeder Tontechniker in Nürnberg erlernte und einübte, als sich in der technischen Mitteletage seines Senders die dort üblichen Vorstellungen erklären zu lassen.
Es läuft eben alles so irgendwie mit, was technisch auch geht, früher aber sofort an der Wand gelandet wäre und zu Ärger geführt hätte. Wie gesagt: Technisch geht das, aber die geschmacklichen Vorstellungen (auch das laienhafte Gequake der neudeutschen Moderatoren mit Sprechrumpfausbildung gehört dazu) eines soliden, schönen Rundfunkmachens gehen über die Klinge.
Das heißt, da sind sie schon, denn die durchkomprimierte Autofahrerwelle haben wir zwischen Antenne Bayern und Bayern 4 Klassik längst. Auf dieses Ziel 'zielt' natürlich auch die mittlerweile durchgängig betriebswirtschaftlich ausgerichtete Unternehmensführung, man definiert sich ja nicht über klanglich-geschmackliche Ergebnisse, sondern durch Zahlen im Jahresvergleich. Das spart Geld, aber auch Kultur.
Lege ich meine Ansprüche auch an die analoge Liebhaberszene an, finde ich da übrigens mehr Liebhaber aktueller Praktiken als Gegner, zumal die Leute nicht wissen, was woher rührt. Das nur am Rande.
Der Umstieg auf digitale Techniken war nicht nötig, andererseits eine irre Chance, die aber nur fragwürdig genützt wurde, weil sie zum Verwaltungsobjekt betriebswirtschaftlich-modischer Sparmaßnahmen wurde. Man konnte sich Sparmaßnahmen erlauben, die zwischen analogen Produktions- und Sendekomplex analoger Tage zum reinen Chaos geführt hätte.
Meine zu Beginn der 1970er Jahre kindlich-biedere, also naive Hoffnung, dass der damalige Aufbruch (in der klassischen Musik, aber auch anderswo) zu tatsächlich neuen Ufern führen müsste, trog daher bitter.
Andererseits hätte es das hochwertige Magnetofon ab 1940/41 nie gegeben, wenn nicht der Politfaschismus der NS-Barden in dieser Technik (und der schon länger hochwertigen Peripherie) ein Mittel zum Zweck erblickt hätte. Wir leben heute in einem Ökonomiefaschismus, der seinerseits Mittel zum Zweck (seiner monetaristischen Glaubenartikel) definiert, zu denen nicht zuletzt die Möglichkeiten digitaler (Medien-)Technik ingredient gehören.
Medientechnik hat also das Zeug zum kulturhistorischen Symbol, das immer und immer zur Auseinandersetzung mit Aktuellem und Gewesenem mahnend uns urteilsfähig machen sollte, die schrägen Einflüsterungen (nun, heute geht das kilowattweise) der Lobbyistenkaste als das zu erkennen, was ist: Subjektives Interesse, aber kein gesellschaftlicher Fortschritt. (Wie sagte doch Teltschik, der bay. Apparatschik; ah ja...)
Zum Schluss:
Dein BR-Besuch mit alter B3-Technik muss aber schon etwas zurückliegen:
Die Techniken von B2 und B4 sind nun nämlich -als die letzten des BR- auch schon wieder gut zwei (????, mir ist es aber so) Jahre digital, B5, danach B3 (noch zur Zeit Klaus Bleichers) und B1 waren schon Jahre davor umgestellt. Sendebetrieb ab Magnetofon ist also passé. Als ich zuletzt in den heil'gen Hallen von B1 (hüstel) war, stand da zwar noch für den Notfall (eines angelieferten Bandes....!) eine Magnetbandmaschine; aber ob die da heute noch steht?
Hans-Joachim
Verfasst: Mittwoch 14. Februar 2007, 13:57
von A721
Hans-Joachim, danke für Deine Ausführungen zu der von Christoph aufgeworfenen Frage und den ebenfalls interessanten Exkurs über "angewandte Technik" beim BR.
Viele Grüsse
Bernd
Verfasst: Donnerstag 15. Februar 2007, 05:46
von Administrator
Ja, auch von mir noch mal herzlichen Dank für Deine sehr interessanten Ausführungen!
Entschuldigung übrigens das ich Dir da einen "Job vermittelt" habe, den Du gar nicht machst... Entweder habe ich Dich da verwechselt oder ich bin einer vollkommen falschen Information aufgesessen...
Ich kann mich zumindest stark daran erinnern das irgendwer hier im Forum mal schrieb: "Kennst Du nicht PhonoMax, seines Zeichens Klassik-Tonmeister beim BR in München".
Wann und von wem das Zitat war weiß ich nicht mehr - den Beitrag konnte ich auch nicht mehr finden (hab ich wahrscheinlich bei einer meiner Löschaktionen schon entfernt).
Das Zitat mit der Berufsbezeichnung am Ende ist mir zumindest noch ganz sicher am Gedächtnis - wahrscheinlich hab ich nur den Namen vertauscht...
So kam es dann auch zu dem Missgeschick.
Gruß
Technik und Kultur
Verfasst: Freitag 16. Februar 2007, 15:14
von Studeraner
Hallo zusammen,
bitte erlaubt mir, bei einem für uns alle so wichtigen Thema auch meinen unmaßgeblichen Senf beitragen zu dürfen:
Eines schon vorweg, damit erst gar keine Zweifel daran aufkommen: Niemand bedauert den "Untergang" des Rundfunks mit seiner analogen Technik mehr als ich. Denn (obwohl "erst" Anfang/Mitte 40) auch ich bin, wie sicher einige (oder sogar viele?) hier, mit diesem "aufgewachsen" und habe ihn privat wie auch beruflich "lieben" gelernt. Auch ich sehe natürlich den wie auch immer gearteten Fortschritt unseres Rundfunkwesens mit gemischten Gefühlen. Daher kann und muss man PhonoMax' Beitrag nur zustimmen. Meiner soll daher auch um Gottes Willen nicht als Gegenbeitrag sondern bitte als reine Ergänzung angesehen werden.
Hans-Joachim, Du hast mit allem, was Du sagst, letztlich (leider) Recht.
Mir ist aber auch (nicht zuletzt in den Jahren meiner öffentlich-rechtlichen Rundfunk- u. Fernseharbeit) Folgendes auf gefallen, was auch nicht zu vernachlässigen ist:
Und gehen wir dabei doch gleich in die Praxis, denn von der sprechen wir hier ja: Ich habe festgestellt, und dies in vielen fruchtbaren Gesprächen mit Kollegen, dass es letztendlich keine Rolle spielt, ob sich beim berühmten Druck auf den "Abfahr"-Knopf die 3 Motoren einer 816 in Bewegung setzen oder sich die Auslastung eines irgendwo im Haus befindlichen Servers um 0,... % erhöht. Soll heißen: Der künstlerische Wert bleibt durch die immer weiter fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung nicht zwangsläufig auf der Strecke. Ich finde, eher das Gegenteil sollte eigentlich der Fall sein, auch wenn dies leider in der Realität vielleicht nicht immer so ist. Wir alle wissen um die unschätzbaren Vorteilen des erst durch die Digitaltechnik möglichen non-destruktiven Schnitts und seiner für die Anwender unglaublichen Möglichkeiten. Oder sich binnen Sekundenbruchteilen jeden erdenklichen Audio- oder Videoschnipsel aus dem Archiv vor Augen zu führen, um einen Beitrag zu produzieren. Der Beispiele sind gar viele. Soll DARUNTER die Kultur und Kunst unseres Rundfunks leiden??? Ich denke nein! Der Redakteur hat vielmehr doch technisch den Kopf frei oder NOCH freier, als er ihn zu Analogzeiten hatte. (SO gesehen müsste man sich mal vorstellen, was an künstlerischen Beiträgen vor 30 oder 50 Jahren entstanden wäre, wenn die damaligen Redakteure die heutigen Möglichkeiten gehabt hätten. Aber das wäre ein anderes Thema.) Und technisch? Seien wir mal ehrlich: Wir alle lieben den warmen, weichen Analogklang unserer 807-10-12-16-20, aber bekommen auch leuchtende Augen, wenn unser 725, 727 oder 730 das tut, was er soll. Warum also soll uns das im Arbeitstechnischen in unserer Kreativität einschränken? Und qualitativ machen wir uns ja auch nichts vor: Allein durch die leider oft unsagbar "scharf" eingestellten Kompressoren machen wir weit mehr an Klang kaputt als es der Umstieg auf die Digitaltechnik je könnte. Oder hört jemand von Euch (selbst mit einem 764) den Unterschied? Vom früheren gelegentlich leisen Knistern der Vinyls mal abgesehen, die DANN auch niemand mehr braucht, wenn die Dynamikschwankungen bei unter 20 dB liegen und man sie ohnehin höchstens noch in der Blende hört. Und die gute alte EBU sorgt mit ihren ARD/ZDF-Pflichtenheften schon dafür, dass man die Samplingraten nicht auf 4 Bit begrenzt.
Wenn also die Kultur und der künstlerische Wert unseres Rundfunks "den Bach runter gehen", dann hat das nichts oder nur äußerst beschränkt mit der Digitalisierung desselben zu tun.
Was ich damit sagen will: Der durchaus festzustellende "digitale Schlendrian", wie Du es so schön nennst, liegt meines Erachtens ganz woanders. Wo, kann ich allerdings leider auch nicht sagen. Wahrscheinlich einfach im, wie man so schön sagt, Lauf der Dinge. Also überlassen wir DAS Feld den Philosof(ph)en.
So, nun bitte nicht schimpfen, ist ganz und gar MEINE Meinung. Vielleicht sehe ich auch alles ZU technisch, aber ich bin nunmal Techniker.
Übrigens: Vor kurzem war ich (nach knapp 14 Jahren) mal wieder im SWR zu Gast. Ich konnte zum Glück feststellen: In wirklich JEDEM Studio steht noch (mindestens) eine A 816, und selbst ein paar A 81 gibt es noch, von unzähligen D 731 ganz abgesehen. Nichts davon war leider im Sendebetrieb aktiv. Die A 816 werden jedoch sehr fleißig zum Umspielen benutzt, und das sicher noch eine ganze Weile!
Und nun, Leute: Werft Eure B 250 und A 730er an und FEIERT!! Denn die "närrischen Tage" gehen ihrem Höhepunkt entgegen. Viel Spaß dabei!
In diesem Sinne: Helau, Alaaf und tschüs aus dem Schwobaländle
Karl