vom Anfang des Magetophones

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FPfleumer
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Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von FPfleumer »

Geschätzte Forenfreunde,

ich muss um Verständnis bitten: nahezu alle der hier gestellten Fragen sind beantwortet, das Material ist einfach und günstig zugänglich (http://www.beam-ebooks.de/ebook/40085 / http://www.beam-ebooks.de/ebook/30746), hier insbesondere das Kapitel „The Magnetophone goes to America“ (nur diese Überschrift in Englisch). Mich kostet diese Antwort ein Mehrfaches an Zeit als das Stellen der Fragen, und für einen Autor ist es frustrierend, gewissermaßen Auszüge aus seinem Buch als Leseprobe auf Leseprobe einzustellen (letzten Endes mahnt mich womöglich noch mein Verleger ab).

Ganz „unabgespeist“ sollte ich aber niemanden lassen. Die Bandgeschwindigkeit 1 m/s ergibt sich (gut angenähert) mit einem Synchromotor bei 1500 U/min am 50 Hz-Netz und einem Tonwellen-Durchmesser von 12,7 mm – das ist exakt ½ Zoll, und ich möchte wetten, dass man bei AEG dafür eine passende (Grenz-)Rachenlehre zur Hand hatte. Mit diesen Vorgaben entstand das Magnetophon K1. Eine erste Serie des Magnetophon K 2 bekam einen leichteren, wohl auch billigeren Vierpol-Asynchronmotor, der bekanntlich mit ca. 1460 U/min dreht; um die Bandgeschwindigkeit 1 m/s einzuhalten, bekam sie eine Tonwelle mit dem Durchmesser 13 mm. Ab der Hauptserie des Magnetophon K 2 konnte die Bandgeschwindigkeit auf 77 cm/s gesenkt werden; hier war der Tonwellen-Durchmesser 10 mm (und, konsequenterweise, bei den späteren Maschinen mit Synchronmotor 9,7 mm). Unter Inkaufnahme einer winzigen Abweichung machte Jack Mullin daraus 30 ips bzw. 76,2 cm, ebenso wurden aus der Bandbreite 6,5 mm die gängigen 6,3 mm (wer weiß, mit welcher Toleranz die 6,5 mm-Bänder geschnitten waren?). Die RRG arbeitete ausschließlich mit 77 cm/s, und zwar mit Bändern auf Celluloseazetat-Träger und, ab Oktober 1943, mit PVC-Massebändern (I.G. Farben Werk Wolfen übernahm damals die Fertigung der Celluloseazetat-Bänder). Papierbänder es hat in Deutschland, von Pfleumers Versuchsbändern abgesehen, produktionsmäßig nie gegeben, allerdings wollte man dann in den USA, in Japan und – hört, hört – auch in Österreich klüger sein und fing mit Papier als Träger an, hat das aber ganz schnell wieder aufgegeben.

Die RRG hatte, ganz gegen Ende des Krieges, sogar ein Gerät für 19 cm/s: das war das Gerät R 26, basierend auf der Wiedergabe-"Einheit" des Tonschreibers c, das sogar mit HF (35 kHz) arbeitete - Vorbild für die ersten Nachkriegs-Federwerks-Reportagegeräte.

Wer sich etwas umhört, kann wissen, dass Ampex erst im Herbst 1946 mit der Entwicklung des späteren Geräts „Ampex Model 200“ begann, dessen Première am 1. Oktober 1947 stattfand (übrigens liefen, wie schon oben zu lesen, die ersten Geräte „Schicht außen“, erst mit der Variante bzw. einem Nachrüstsatz, sozusagen dem „Model 201“, ging Ampex auf Schichtlage innen über). Dem Deutschen Reich mussten und konnten zu dieser Zeit keine Lizenzgebühren gezahlt worden – sie wären, von allem anderen abgesehen, auch nicht an das Reich, sondern an AEG gegangen (Quellen, u.a.: Hammar, Peter: The Birth of Tape Recording in the U.S., AES Preprint 1928 (F-1), 1982 October 23-27 und http://thehistoryofrecording.com/Manual ... e-1949.pdf).

Es ist kein Zufall, dass in diesen Jahren auch in der Schweiz (Motosacoche, dann Studer), Frankreich (Tolana) und den Niederlanden der Bau von Magnetbandgeräten nach dem Muster der AEG-Magnetophone begann.

Eine Bandgeschwindigkeit von 140 cm/s ist nirgends in der Literatur bekannt (vielleicht eine Verwechslung mit den 5 ft/sec, etwa 150 cm/s, der Stahlband-Geräte – auch dazu eine ganze Menge im oben genannten Buch).

Zur Nachkriegs-Geschichte der deutschen Patente siehe http://www.wolfgang-pfaller.de/Beschlagnahme.htm, "Die Beschlagnahme von Feindpatenten im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg", insbesondere den Abschnitt „Das Londoner Abkommen“. Es handelte sich also gewissermaßen um Reparationsleistungen (bekanntlich folgte dem II. Weltkrieg bisher kein Friedensvertrag – „Versaich“, um Tucholskys Schreibweise zu imitieren, wirkte nach).

F.E. (mit Präzisierung vom 26.05.2014)
Zuletzt geändert von FPfleumer am Montag 26. Mai 2014, 10:21, insgesamt 1-mal geändert.
Bricksounder
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Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von Bricksounder »

tja
und wenn das alles so informativ ist
warum wird "DAS" Buch dann nicht nochmal aufgelegt

fragende Grüße
Ralf .... der nur ungern "E-Bookt" ... schreibt man das so ???
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Niederberger Jean
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Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von Niederberger Jean »

@ Ralf (alias Bricksounder)

ich denke es ist auch eine Kostenfrage. Ich habe das e-book "Zeitschichten – Magnetbandtechnik als Kulturträger (Dritte Ausgabe 2013" kürzlich per download gekauft und es finde es sehr praktisch.

Mit e-book kann man auch sehr schnell mit Suchfunktion etwas auffinden und gegebenenfalls die Seite zum persönlichen Gebrauch drucken. Das e-book ist eine perfekte Sache !
Mit freundlichen Gruessen
ein Revox Studer Fan aus dem Tessin.
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cavemaen

Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von cavemaen »

Bei den "Amazonen" gibt es das Buch noch. Frank Bell hatte keines mehr zu Hause, als ich ihn mal besuchte.

Aber Besten Dank FPfleumer für die Links und die Auskünfte!

In meinem Fundus befindet sich u.a. auch ein Buch mit dem Thema zum Patentklau nach 1945, nachdem es etwa 484.000 Patent-Diebstähle sein sollen, aber das ist ein anderes Thema.

Auch die Grundlagen der Funktechnik gingen ja in den 1920er Jahren richtig los.

Da waren Leute von Marconi sehr aktiv, Telefunken, Lorenz, Siemens & Halske (deren Kraftwerke heute noch laufen) ect. und dort wurden die Grundlagen gebildet, ohne die auch unsere geschätzten Magnetophone nicht erforderlich geworden wären.

Alexander Graham Bell wurde ausgelacht, als er die erste drahtgebundene Fernsprechleitung in ein anderes Zimmer legte und bekam von "Fachleuten" damals zu hören, für was man denn so einen Unsinn bräuchte.

Sicher braucht man heute keine Tonbandmaschinen mehr, so höre ich immer wieder, aber der Rundfunk hat noch hunderte Telefunken M15A gehortet.

Allein der Hessische Rundfunk hatte in Spitzenzeiten rund 400 Bandmaschinen incl. Regionalstudios im In und Ausland und ganze Archive sind noch analog.

Noch heute sollen noch rund 170 Maschinen irgendwo herumstehen und vor Jahren wurden sollen 70 Stück beim RBT für Frankfurt grundüberholt worden sein.

Rechnet man das hoch auf die anderen Bundesländer, kommt noch eine respektable Stückzahl zusammen!

Dafür sind ganze Digitalarchive der ersten Generation Digitaltechnik mit über einer Million Musiktitel in Deutschland und Österreich in den ewigen Jagdgründen versunken, aber Werke auf Decelith, Schellack und Band laufen komischerweise noch heute.... :lol:

Rudy
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Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von FPfleumer »

"ZEITSCHICHTEN" noch bei Amazon? Schön wärs! Leider geht es da um andere Themen.

Übrigens lässt sich das e-book bzw. dessen PDF-Datei auch ausdrucken (DRM-frei), selbst dann bleiben die Anschaffungskosten weit unter der der Druckauflage.

F.E:
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Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von Bricksounder »

ok überredet :D

Dank der Empfehlung von Jean "book" ich dann auch mal "e"

einen sonnigen Montag ins Tessin

Ralf

es hat viele interessante Details in dem Buch,
auch hilfreiche Grafiken,
da schließe ich mich der Empfehlung gerne an.
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revfan

Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von revfan »

Hallo,

ich habe zur Geschwindigkeit etwas Neues gefunden, was nicht so ganz im Einklang mit den obigen Ausführungen steht.

Im AES-Preprint 1982 09 mit dem Titel "birth of tape recording" findet sich dazu, dass die Geschwindigkeit des K4 gar keine 77 cm/sec betrug, wie man in vielen Quellen lesen kann, sondern nur 76,8 cm/sec., die - wie heute auch bei 19 cm usw - gemeinhin auf 77 cm "verbal gerundet" wurde. Das wären dann 30, 24 inches/sec.

Jedoch habe Jack Mullin, der als amerikanischer Offizier mit 2 funktionsfähigen K4 nach den USA heimkehrte und bekanntlich für den internationalen Durchbruch der Tonbandtechnik beim Radio durch seine Kontaktaufnahme mit Bing Crosby sorgte, bei seinen Messungen an diesen Geräten aus was für Gründen auch immer eine Geschwindigkeit von 30 inches / sec und auch die Bandbreite von 1/4 Zoll gemessen, also bewusst oder unbewusst gerundet.

Diese Werte habe Mullin dem damaligen startup Ampex mit 6-7 Mitarbeitern, die er persönlich kannte, weitergegeben, als diese das Ampex 200 entwickelten. Von diesem ersten professionellen Gerät in den USA (das erste überhaupt war ja das Brush BK 401, das ich in einem anderen Beitrag hier in der Willi Studer Variante vorgestellt habe) seien dann zwischen 1947 und 1949 112 Stück für einen Listenpreis von 3825 US Dollar an US-Sender verkauft worden.

Noch etwas zu den Patenten: heute wäre mit Sicherheit die Bandggeschwindigkeit als solche in Deutschland nicht patentfähig, da sie isoliert keine technische Lehre beinhaltet.

revfan
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cavemaen

Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von cavemaen »

Die Geschwindigkeit als solche nicht Arno, patentrechtlich soll die Schichtlagenänderung relevant gewesen sein, so ein VDT-Ing. zu mir, da man nach 1947 Klagen von uns Germanen aus dem Weg gehen wollte.

Wie auch immer; die Dinger laufen und klingen gut, wir haben Freude damit und im Gegensatz zu Frau oder Freundin kann man eine Bandmaschine jederzeit abschalten! :lol:

Schönes Wochenende

vom Rudy
FPfleumer
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Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von FPfleumer »

Das Verhältnis von 77 cm/s zu 76,8 cm/s ist 1,0026, und diese unbedeutende Abweichung dürfte - ich erspare mir die Nachrechnung - mit der nie auf plus/minus 1 upm genau definierbaren Drehzahl eines Asynchronmotors zusammenhängen. Insofern leuchtet mir Hammars Bemerkung nicht recht ein. Genauer als auf plus/minus 0,1 % wurde meines Wissens die Bandgeschwindigkeit auch bei modernsten Analog-Tonbandgeräten nie zugesichert.

Ich denke, wir sollten hier nicht päpstlicher sein usw., zumal die RRG im Braunbuch-Blatt "Laufwerk R 22" vom 1. Mai 1939 ("mit gleichbleibender Geschwindigkeit von 77 cm/sec") wie auch in der "Betriebsanweisung für die Magnetofonschallaufnahme R 122a" vom 1. Dezember 1942 (zweite Seite) eindeutig von "der normalen Bandgeschwindigkeit von 77 cm/sec" spricht.

Übrigens basiert Hammars Bericht (Revfan hat als AES-Mitglied Zugang zu diesen Dokumenten) auf seiner langjährigen Freundschaft mit Jack Mullin und mehreren Mitgliedern des Ampex-Entwicklungsteams, so dass seine Arbeit für die frühen Jahre des "tape recoders" in den USA eine erstrangige Quelle darstellt.

F.E.
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revfan

Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von revfan »

Hallo,

zuviel der Ehre. Ich bin kein AES-Mitglied :cry:, sondern nur ein eifriger google-Nutzer. Mit einem wie mir können die nichts anfangen :lol:

Im übrigen kennt Ihr doch sicher den bekannten Spruch von Groucho Marx:
Ich würde keinem Club angehören wollen, der mich als Mitglied aufnimmt :lol:

Schönes Wochenende

revfan
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cavemaen

Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von cavemaen »

Übrigens; in iiBäh bietet jemand mehrere AEG AW2 an, die er von einem älteren Hamburger AEG-Mann bekommen hat.

Arno, läuft die M15A nicht zuverlässig und stabil?

Eine gelungene Konstruktion und kontinuierliche Weiterentwicklung der damaligen ersten Maschine, die man damals erst gar nicht ausstellen und anbieten wollte....

Selbst die BBC kaufte 30 Stück M15A, gebraucht unverkannt und billig angeboten (steht kein STUDER drauf) werden diese Maschinen verschleudert, machen Netzschwankungen problemlos mit, sind tropenfest und viele alte Telefunken M10 sollen noch in Indien laufen und von den in die USA verkauften, kam noch keine zurück.

Hut ab vor diesen Konstrukteuren dieser robusten Technik (übers Design lässt sich streiten)!

Rudy
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cavemaen

Re: vom Anfang des Magetophones

Beitrag von cavemaen »

Die Firma Bogen in Berlin schreibt zur Geschichte des Magnetophons:

http://www.bogen-electronic.de/magnettontechnik.html
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