cavemaen hat geschrieben:Hagen, Du hast studiert, erläutere das doch mal.
Habe ich doch schon mal.
Das Problem ist immer das nie genau gesagt wird wie die Messwerte gewonnen wurden. Z.B. wird bei der CD (16bit, 44,1KHz Abtastfrequenz) 96dB Geräuschspannungsabstand und 0.006% Klirrfaktor bescheinigt. Was verschwiegen wird ist dass der Klirrfaktor bei Vollaussteuerung gemessen wird (0dB). Bei -96dB habe ich halt 30% Klirrfaktor weil nur noch ein Bit zur Modulation da ist. Bei 1% Klirr hat man 67dB Dynamik; keine 96. Kann ein Bandgerät locker mithalten (*s.u.).
Und häufig werden auch Effekte durch Abtastung und Quantisierung bunt gemischt zusammengeworfen und diskutiert; wobei ich sagen muss dass aus dem Lager der Analogverfechter meist nur heiße Luft und unsachliches Geschwafel kommt (siehe z.B. Webseite "Funkstunde" zum Thema Digitalaufzeichnung).
Bei der Digitalaufzeichnung wie sie heute praktiziert wird hat man 2 Hauptfehlerquellen:
1. Quantisierung
2. Zeitdiskrete Abtastung
Zu 1: Quantisierung limitiert die Dynamik oder den Klirrfaktor; ja nach dem wie man es sieht. Wenn die CD voll ausgesteuert ist (was die meisten nicht sind) kommt man so auf 67dB bei 1% Klirr. Die besten AD Wandler die man heute für viel Geld und gute Worte kaufen kann haben 21,6Bit effektiv (S/N 132dB); (nix 24 bit; lasse mich aber gerne eines Besseren belehren **s.u.). Wenn der Tontechniker 2 bits Headroom lässt (Digitaler Clipping Muffefaktor) bleiben 88dB Dynamik bei 1% Klirr. Wie gesagt: professionelle Wandler; die findet man nicht auf einer PC Soundkarte.
Zu 2: Zeitdiskrete Abtastung. Herr Nyquist hat herausgefunden dass bei einem bandbegrenzten(!) Signal mindestens die zweifache Abtastfrequenz nötig ist um das Signal wieder unverfälscht herstellen zu können. Falls nicht bekommt man s.g. Faltung im Frequenzbereich; d.h. z.B ein mit 21kHz abgetastetes 20kHz Signal wird als 1kHz wiedergegeben (Differenz). D.h. ich muss aus meinem Signal alles herausfiltern was oberhalb meiner halben Abtastfrequenz ist. Und zwar vor dem Abtaster; d.h. mit analogen Bauteilen. Und bis unterhalb der Dynamik meines Wandlers. In der Praxis kann man kein Filter bauen dass 20KHz noch durchlässt und bei 20,1kHz schon 120dB Dämpfung hat. Selbst wenn es geht hätte dieses Filter einen ganz miesen Phasengang (Betrags- und und Phasenfrequenzgang sind bei minimalphasigen Systemen verknüpft; hat glaube ich auch der Herr Nyquist herausgefunden). Und man hat natürlich alle Probleme mit der analogen Elektronik (Rauschen, Verzerrungen, Toleranzen, Temperaturdrift, u.s.w.).
Hier liegt mmn. das größte Problem. Ein Filter mit sauberem Phasengang bis 20kHz lässt leider noch ziemlich weit oben ziemlich viel durch. Unter 192kHz Abtastrate würde ich das erst gar nicht probieren wenn ich 132dB Daempfung brauche. Und da kann ein gut gebautes Magnetbandgerät gut mithalten (ich kann leider noch nicht den Phasengang messen; Studer behauptet für die A810/A812/A820) linearen Phasengang zu haben; d.h. Rechteck bleibt Rechteck; Arno kann das ja mal auf einer Revox T26 nachmessen
***s.u.).
Dann gibt es noch so Details dass der Frequenzgang bei der Wiedergabe mit Rechtecken (statt Pulse wie bei der Abtastung) mit einer x/Sin(x) Funktion verbogen werden muss damit er wieder stimmt. Auch hier wieder (zumindest teilweise) im analogen Bereich mit allen Problemen der analogen Signalverarbeitung.
Also die Verzerrungen in der digitalen Aufzeichnung sind wohl eher in den analogen Komponenten davor und dahinter zu suchen und in den faulen Kompromissen die dem Ingenieur durch die Kaufleute aufgezwungen werden. Dass ich in der digitalen Ebene eine "verlustlose Nachbearbeitung" habe stimmt so nicht ganz. Wiedergabe ja, aber nicht Nachbearbeitung. Hier hat man dann mit der Problematik von numerischen Effekten wie Rundungsfehler, Auslöschung, Limit-Cycling bei Filtern u.s.w. zu tun oder Aliasingeffekten falls man verschiedene Abtastraten umrechnen muss. Diese kann man aber vernachlässigen falls man sehr gute Softwareentwickler hat die die Grundlagen der digitalen Signalverarbeitung beherrschen (sehr seltene Rasse !). Oder die Holzhammermethode in dem man intern die Wortbreite groß wählt.
Um das mal zusammenzufassen: gegen ein gut gebautes professionelles digitales Aufzeichnungssystem (gute Anti-Aliasing Filter, 24bit Wandler bei 192kHz Abtastrate) kann mmn. ein analoges Bandgerät in keiner Hinsicht mithalten (Bandrauschen, Drop Outs, Gleichlaufschwankungen, hochfrequente Störungen durch Bandführungsteile und Köpfe: Scrape Flutter u.s.w.).
Leider ist sehr viel was auf dem Konsumentenmarkt ist (und auf dem professionellen) eben nicht gut gebaut sondern halt ein Kompromiss um die Dividende der Aktionäre hoch zu halten (damit die sich ein Mercedes SUV mit Revox Anlage kaufen können
). Von daher kann ich mir schon vorstellen dass eine gute Analogwiedergabe besser am Original als eine schlechte Digitalwiedergabe ist. Aber da vergleiche ich natürlich Äpfel mit Birnen (ich meine hier gut/schlecht, nicht Analog/Digital).
Meine 50 Cent.
Hagen
*: ich höre es nicht; ich kann es nur messen. Ich finde die CD 16bit/44kHz Wiedergabe gut.
**: wenn ich Firmen sehe die behaupten einen 32bit D/A Wandler in Ihrem CD Spieler zu haben kann ich mich kringlen vor Lachen...
***: bei einer Werksbesichtigung bei W&G haben die uns mal einen Analogsignalverzwutzler vorgeführt. Ein 1kHz Rechtecksignal konnten man hier z.B. durch ein Filter mit konstantem Betrags- aber nichtlinearem Phasenfrequenzgang verzerren lassen. Der W&G Ingenieur sagte dass sie einige wenige Leute in der Firma haben die den Unterschied mit gewisser Wahrscheinlichkeit erkennen. Ich (und meine Kollegen) haben keinen Unterschied wahrgenommen.
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