stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Fragen und Antworten zur Technik bei den ReVox-Klassikern. Von der 36er-Serie bis zur C-Serie.

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In diesem Bereich geht es um die "Klassiker" der Firma ReVox. Gemeint sind Geräte aus den Anfangstagen der Firma, ReVox-Tonbandgeräten aller Art, B-Serie, C-Serie, S-Serie, H-Serie usw.
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kese
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stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von kese »

Hallo Leute, liebes Forum

Ich bin auf der Suche nach, wie schon der Tilel sagt, nach einer stufenlos pitchbaren Bandmaschine. Da ich in Bezug auf Bandmaschinen ein absoluter Laie bin und nicht die Möglichkeit hatte in Berührung mit einer solchen zu kommen, frage ich jetzt euch. Könnt Ihr mir weiterhelfen? Gibt es das überhaubt?
Ich danke für Tipps und Anregungen schon im Voraus.
PhonoMax
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Re: stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von PhonoMax »

Gruß ins Emmental!,

dem ich aber gleich den Hinweis folgen lasse, dass die Ausregelung einer Bandgeschwindigkeitspalette zwischen 0,1 und 300 cm/s in einer einheitlichen Antriebsmaschine nach den überkommenen technologisch-künstlerischen Ansprüchen an den Bandtransport einer Bandmaschine nicht möglich ist. Der Bandtransport hat sehr gleichmäßig, also ohne Geschwindigkeitsabweichungen zu erfolgen, damit dem aufgenommenen Signal keine Frequenzmodulationsstörungen aufgeprägt werden ("wow and flutter"); gleichzeitig soll der Eigengeräuschpegel der arbeitenden Maschine praktisch unterhalb der Hörbarkeitsgrenze bleiben. Schließlich ist das Aufzeichnungsverhalten des magnetischen Speicherprozesses hinsichtlich vieler Parameter direkt von der aufgezeichneten Wellenlänge abhängig, was zu Beschränkungen beim schleichenden Weitbereichsgeschwindigkeitswechsel führen muss, sofern man sich nicht gerade mit sehr niedrigen Ansprüchen an die Wiedergabequalität zufrieden geben will.

Ansonsten kann praktisch jedes Bandgerät der Firma Studer zwischen A77 (ab Tonmotorelektronik mit ICs) und der Familie der 810 im sinnvollen Rahmen durch mehr oder minder teuren Einsatz von Hilfsmitteln den von dir gewünschten schleichenden Bandgeswindigkeitswechsel realisieren. Jene Hilfmittel beschränken sich bei der A77 (besagter Ausführung) auf den Einsatz zweier Widerstände und eines Potis, bei anderen Geräten auf einen etwas umfänglicheren apparativen Aufwand, der entweder durch "Gewusst-wie" (also Selbstbau) oder schlichte Löhnung an Geräteverkäufer abzugelten ist.


Um die Drehzahlkonstanz des Tonmotors (also den konstanten Bandtransport) zu gewährleisten, benützte die Bandgerätetechnik ab AEGs K2 (wenn ich mich jetzt recht erinnere) zunächst den entlang der Netzfrequenz drehenden und selbstständig anlaufenden Asynchronmotor. Mit der K7 ersetzte man diesen durch den unter Last deutlich drehzahlkonstanteren Synchronmotor, der aber nicht selbsttätig anläuft. Ihm verpasste man eine spezielle Wicklung, die ihn im Anlaufprozess als Asynchron-, im Betrieb aber als Synchronmaschine arbeiten lässt. Solche Motoren findet man u. a. in der M5 und M10, aber schließlich auch in der G36 als klassisch hochwertigem Amateurbandgerät. Hier war es aber nur mit enormem, externem Elektronikaufwand möglich, die Tonmotordrehzahl elektronisch zu beeinflussen. Ein Blick auf den Tonmotor der M10 illustriert, was ich meine. Mit den Nf-Röhrenverstärkern der 1950er Jahre war daher allein die überschaubar motorisierte M5 mit Mühe und Not in der Laufgeschwindigkeit frei nach Gusto zu regeln, wenn man sich die apparativen Mittel zu beschaffen wusste.

Durch den Einzug der (Halbleiter-)Elektronik in die Tonmotorsteuerung (B62) aber änderte sich dies nachhaltig.

Hans-Joachim
kese
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Re: stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von kese »

Damit ich dir wenigstens auch was beibringen kann: Bern liegt nicht direkt im Emmental. Dieses beginnt aber nicht unweit von Bern. In euren geografischen Grössenverhältnissen gerechnet, ist das aber tatsächlich vernachlässigbar...Wie auch immer, ich danke dir für diese ausführliche Antwort, obwohl du mich mit deinem technischen Fachwissen leicht überforderst. Was ich unter anderem verstanden habe, ist, dass es das so nicht gibt. Ich könnte mir, wie du es schreibst, wohl etwas von einem Profi zusammenbasteln lassen. Aber das würde mein eingeplantes Budget übersteigen.
Naja, da muss ich mir wohl etwas anderes einfallen lassen... Trotzdem nochmals ein Merci nach München!

Berner Kese :-)
PhonoMax
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Re: stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von PhonoMax »

Lieber Emmentaler,

meine Aussage gab sich zwar geografisch, verstand sich aber eigentlich als Wink mit dem Zaunpfahl: Du postetest völlig anonym, was mir die Wahl einer menschlich angemessenen Anrede unmöglich machte. Also bezog ich mich auf dein Pseudonym ("Kese") und setzte pars pro toto sinnreich(?) das Emmental ein,das auch dem hiesigen Leser etwas bedeutet. Wohl wissend, dass Huttwil und Wyssachen in der Eidgenossenschaft nicht unbedingt als Vororte von Bern anzusprechen sind.

Ich habe eher ungern mit Pseudonymen zu tun und widme mich -ohne Helm und Visier- lieber meinen Mitmenschen.

Das von der A77-Tonmotorsteuerung ausregelbare Geschwindigkeitsband liegt bei einer 19er Geräteversion zwischen etwa 100 und 300 ms Verzögerungszeit über die etwa 30 Millimeter zwischen Aufnahme und Wiedergabekopf; das bedeutet gleichzeitig, dass die Tonmotorelektronik eine Geschwindigkeitsvariation von etwa 1:3 -musikalisch also immerhin etwa anderthalb Oktaven- verdaut. Darunter nehmen die stoßartigen Gleichlaufschwankungen inakzeptable Werte an; in der Nähe der Obergrenze wird der Rotor des Tonmotors vom Magnetfeld angehoben, und die magnetische Drehzahlabnahme arbeitet nicht mehr zuverlässig. Die HS-Versionen lassen halbierte, damit praxisgerechtere Verzögerungszeiten zwischen Aufnahme- und Wiedergabekopf zu.

Solange die Regelschleife einer Tonmotorsteuerung über ein magnetisches Abnahmesystem geschlossen wird, bleibt der kontrollierbare Geschwindigkeitsrahmen aufgrund der Frequenzabhängigkeit des Induktionsgesetzes begrenzt. Man muss bei der Drehzahlabnahme auf optische Verfahren ausweichen, um diesem Problem ein- für allemal zu entgehen. Dasjenige der bei niedrigsten Drehzahlen für einen vertretbaren Gleichlauf zu geringen Eigenmasse des Tonmotors bleibt aber auch dann bestehen.

Du müsstest genauer beschreiben, was dir vorschwebt, damit ich präziser abschätzen kann, ob dein Versuch der Transposition einer bestehenden Aufnahme über das Magnetophon als Hilfswerkzeug überhaupt erfolgversprechend zu lösen ist, zumal ja bei diesem die Tonhöhenänderung in der Regel (da ohne Eduard Schüllers Abtastung mit rotierenden Köpfen erfolgend) praktisch zwangsläufig mit einer Geschwindigkeitsveränderung einhergeht.

Hans-Joachim
peter_l
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Re: stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von peter_l »

Hallo ihr zwei,

ich denke bei der B77 gibt es die Möglichkeit der Tonmotorsteuerung - zumindest laut Bedienungsanleitung. Intern sollen +- 2 Halbtöne und mit einem externen Zusatzgerät +- 7 Halbtöne möglich sein.

Grüße

Peter
kese
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Re: stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von kese »

Lieber Hans-Joachim

Dem Versuch, das zu beschreiben, was ich vorhabe, wollte ich eigentlich ausweichen, weil ich nicht weiss, ob das, was ich vorhabe, auch wirklich effektiv Sinn macht und ob es überhaupt funktionieren würde. Wenn ich deine Posts lese, beschleicht mich das Gefühl, dass da was auf mich niederprasselt, von dem ich wohl lieber die Finger lassen sollte. Denn noch einmal ein "Hardware-Gerät", das ein Wissenschaftsbereich für sich ist, brauche ich im Moment nicht noch zusätzlich.

Ich porduziere seit einigen Jahren mit diversen Hard- und Softwares elektronische Tanzmusik. In den Anfängen der neunziger Jahre, als sich das Technofieber sich ausbreitete, erste "Raves" organisert wurden, war ich dem Virus erlegen. In dieser Zeit habe ich Unmengen von Kassettentapes (DJ-Mixtapes) gesammelt, aus denen ich, im Form von Loops, in meine Produktionen einfliessen lassen möchte. Die Tapes, die ich bunkere, weisen eine für meinen heutigen Geschmack zu hohe Bpm-Zahl auf, sodass ich gezwungen bin, diese auf irgendeine Weise zu pitchen. Ich bin mir bewusst, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, das zu bewerkstelligen. Z.B. könnte ich mir irgend ein pitchbares Tapedesk kaufen, oder die Musik digitalisieren und sie danach in meine Produktionen einfliessen lassen, aber dass diese Vorgehensweisen nicht befridigend sein werden, muss ich einem audiophilen, wie es du scheinbar bist, nicht erklären... Mir ist letzter Woche zu Ohren gekommen, dass ich es einmal mit einer Bandmaschine versuchen solle, denn die Qualität, Auflösung und Wärme des Klangs seien unerreicht.

Stephan Frank
Zuletzt geändert von kese am Donnerstag 21. August 2008, 23:30, insgesamt 1-mal geändert.
PhonoMax
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Re: stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von PhonoMax »

LIeber Peter,

du hast Recht; dem ist definitiv so, denn die B77 (und ihre Derivate) haben die Tonmotorregelung der A77 letzer Entwicklungsstufe in einer nur minimal veränderten Form. Davon habe ich oben aber bereits gesprochen, als ich die historische Schallmauer der solcherart regelbaren Tonmotoren beschrieb. Die Generationen vorher bedurften ja eines Endverstärkers in der Leistungsklasse der Motoren, den man mit einem frequenzstabilen Tongenerator um 50 Hz herum modulierte, und diese 'neue' Netzfrequenz der Motorwicklung zuführte.
Meines Wissens lieferten weder Telefunken (M5/M10) noch Studer (ich erwähnte die G36) solche Konzepte ab Werk. Da musste jemand abseits von den in Wedel oder Zürich/Regensdorf eingeschlagenen Pfaden eigenaktiv seine Kompetenz zum Markte tragen, um beispielsweise die Synchronsteuereinrichtungen für die frühen M5 zu realisieren. Böse Zungen behaupten gar, dass die M5 ohne diese Möglichkeit und ihre daraus erwachsene Wertschätzung bei der Filmvertonung niemals die Hürden ins Braunbuch genommen hätte. Sie wäre mit dem Ferrophon Max Ihles (ihrem mutmaßlichen 'Vorbild') wohl eine Episode in der Tonaufzeichnungsgeschichte geblieben, nach der es ja anfänglich in den Absatzziffern auch recht deutlich aussah, denn die M5 kam mitnichten erst 1958 auf den Markt.

Hans-Joachim
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Re: stufenlos pitchbare Bandmaschine?

Beitrag von PhonoMax »

LIeber Stephan,

aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit ist mir seit Generationen das vergleichsweise enge, aber über Jahrzehnte alternativenlose Qualitätskorsett der analogen Tonaufzeichnungstechnik nur zu vertraut. Nachdem in meinen Stilsegmenten (Klassik) die Einbeziehung dieser Engpässe in den 'Sound' nicht in Frage kommt, fühle ich jenes Korsett bis heute regelrecht 'physisch'. Das gilt umso mehr, als der Einstieg in diese Technik bei mir fast 50 Jahre zurückliegt und die Beschäftigung mit der Geschichte meines Berufes ein steter Begleiter war. Er nämlich wusste mir anschaulich davon zu berichten, dass bei angemessenem Umgang mit analogen Tonspeichern in der Produktion zwar sehr schöne Ergebnisse erzielbar waren, man bei inadäquatem Umgang mit ihnen aber sofort mit dem Kopf an der Wand stand. Und da war ich nun nicht gerade der erste, der das lernen musste.

Angesichts deines Pflichtenheftes würde ich von den angedachten Plänen Abschied nehmen, die qualitativen 'Einschnürungen' würden allzu schnell allzu deutlich; und nur der Peinlichkeit wegen untzieht man sich ja nicht solcher Exerzitien. Ich würde mir an deiner Stelle (aber aus meiner nicht unbedingt kompetenten Warte heraus) überlegen, ob du die diversen Striche auf Mälzels Metronom nicht besser auf der digitalen Ebene kompensierst und dann das Gesamtsignal bzw. geeignete Einzelspuren als eigenen Mix über eine mit konstanter Geschindigkeit laufende, adäquat eingemessene Bandmaschine als Effektgerät laufen lässt. Damit wären die qualitativen Möglichkeiten des Verfahrens sinnvoll ausgereizt, ohne die oben benannten Engpässe gewärtigen zu müssen.

Nachdem die dem analogen Speicherverfahren nachgerühmten Klangqualitäten (ich habe mich damit zu viel und zu verzweifelt gequält, um in hymnische Elogen auszubrechen...) im von dir skizzierten Rahmen grosso modo auf Sättigungserscheinungen des Bandes und den daraus resultierenden Veränderungen an den Klirr- und Intermodulationsfaktoren beruhen, kommt für deine Anwendungen in erster Linie ein Gerät mit hohen Bandgeschwindigkeiten (also entweder Profiliga B62/B67 aufwärts oder aufgebohrte Amateurgeräte: G36HS, A77ORF, PR99, A700 etc.) in Frage, die neben einem guten Allgemeinzustand auch den Betrieb mit etwas betagteren Bändertypen vorweisen sollten, damit du den Sättigungsbereich bei 38 cm/s so erreichst, dass man "etwas hört" und gleichzeitig der Kopiereffekt nicht von dir als Urheber unbeabsichtigt auf sich aufmerksam macht. Um hier das Bandgerät praktikabel einsetzen zu können, ist dann schon eine ziemlich 'griffige' Einarbeitung in die Technik anzuraten, damit du die Erfolge, die dir vorschweben, planen kannst.

Das analoge Speicherverfahren setzt in der Produktion ein Eingehen auf seine Prinzipien voraus, andernfalls bleiben die Qualitäten potenzieller Ergebnisse bescheiden. Plug & Play ist bei ihm kein statischer Zustand ('Feature'), sondern ein transitorischer (ständige kompetente Betriebskontrolle und Einmessung), der eine unmittelbare Funktion der fachlichen Qualifikation der Nutzer ist. Sonst wäre mit den mühselig 60 dB Betriebsdynamik eines Studiomagnetofons niemals das an großartigen Aufnahmen seit 1941 realisiert worden, was in unseren Archiven liegt. Nicht die A80 oder A810 machen's, sondern die, die sie zu nehmen wissen.

Aber ich lande in der Kulturphilosophie.
Korrigiere du also zweckmäßigerweise deine Tempo- und Tonhöhenprobleme digital und setze die geeignet eingemessene Bandmaschine als Spitzenbegrenzer ein, indem du die entsprechenden Signale oder Signalanteile über sie bei angemessener Bandgeschwindigkeit (und angemessenem Bandmaterial) führst. Ich denke, so kommst du am hochwertigsten, glaubwürdigsten zum Ziel.

Übrigens: Anderthalb Oktaven Geschwindigkeitsänderung sind mehr als eine Verdopplung des Tempos!

Hans-Joachim
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