Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Fragen und Antworten zur Technik bei den ReVox-Klassikern. Von der 36er-Serie bis zur C-Serie.

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dynavox
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Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Beitrag von dynavox »

Hallo liebe Forumsmitglieder,

ich weiß, es wurde eigentlich schon viel zu viel über dieses Thema geschrieben, jedoch benötige ich keine Anleitung, vielmehr wäre ich an einem Erfahrungsaustausch interessiert.

Nun zum Wesentlichen:
Ich habe nun auch schon viele Studer und Revox Bandmaschinen eingemessen, jedoch klingen diese - würde man sich strikt an die Service-Manuals halten - eher unterirdisch (ok - das ist etwas übertrieben).

Es sei übrigens vorausgesetzt, dass ALLE Vorbereitungen vor dem eigentlichen Einmessvorgang vollzogen wurden.

Ein Stolperstein scheint hier - meines Erachtens - wohl auch der richtige Vormagnetisierungspegel bezogen auf das verwendete Bandmaterial unter Berücksichtigung der entsprechenden Bandgeschwindigkeit zu sein (...Maximum suchen und dann im Uhrzeigersinn weiter, bis sich vorgeschlagene Delta U zum Maximum ergibt...).

Selbstverständlich sind wir auch alle mit entsprechendem Mess-Equipement ausgestattet und achten peniblen auf jedes Millivolt. Messtechnisch ist also alles korrekt, das Hörerlebnis nach Abschluss des Einmessvorgangs ist allerdings... naja.

Ich habe so meine Probleme mit diesen pauschalen Angaben bezüglich Bandsorte und Geschwindigkeit.
Welche Alternativen habt Ihr evtl. ausprobiert (10kHz mit -20dB wegen der begrenzten Höhenaussteuerbarkeit wie im Manual oder vielleicht Bias Einstellung bei 1kHz mit "Vollgaspegel" und dann möglicherweise auf Maximum getrimmt, oder andere Delta U-Werte, ...)?
Und in welcher Stellung befinden sich zu dem Zeitpunkt bitteschön die regelbaren EQs aufnahme- und/oder wiedergabeseitig (abhängig von der Maschine)?
Welchen Stellenwert nimmt bei Euch der Klirrfaktor ein?

Ich glaube hier gibt es doch einigen Spielraum betreffend der Herangehensweise.

Ebenfalls ganz klar, für ein korrektes Einmessprozedere sind vernünftige Messinstrumente und natürlich auch ebensolche Verwendung absolute Pflicht!

Gehört wird aber immer noch mit den Ohren und nicht mit den Augen!

Ich darf abschließend anmerken, dass ich persönlich gern etwas Klirr in Kauf nehme, wenn sich dabei akustisch das entsprechende "Pfund" einstellt, was ja immer wieder gerne als analoge Wärme bezeichnet wird und wage im gleichen Atemzug zu behaupten, dass 90 Prozent einen Klirr bis knapp unter einem Prozent nicht mal als solchen wahrnehmen würden.

Stehe ich allein da mit dieser Ansicht?

Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?


Viele Grüße
Edwin
PhonoMax
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Re: Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Beitrag von PhonoMax »

Zunächst, lieber Edwin, müssen wir uns darüber klar werden, welchen Aufgaben sich ein Bandgerät zu stellen hat:
Soll es Verwendung als Datenspeicher finden, dessen Ausgangssignal sich nach der Speicherung unter Maßgabe der Verfahrenseigenschaften nur minimal vom Eingnagssignal unterscheiden darf, oder soll es zum Effektgerät mutieren, das dann der möglichst weitgehenden Intensivierung des geplanten Effektes dient?

Ich gehöre zur 'klassischen' Fraktion, die sich fraglos dem ersten Anspruchsziel verpflichtet weiß und damit Reproduktionsqualität kompromisslos Vorrang einräumt. Dieser Gedanke herrschte auch bei Studer vor, weshalb gerade das Verdikt 'unterirdisch' für die Reproduktionsqualität der Geräte speziell dieser Firma ein wenig an jenen Zielen, die dort systematisch und mit immenser Kompetenz verfolgt wurde, nicht unerheblich vorbeigeht.

Nun weiß ich deine Verdikte auch von einer anderen Seiite nicht recht einzuordnen. Du schreibst hier in der Revox-Sektion, scheinst aber aufgrund der erwähnten Equalizingpots doch eher an das professionelle Lager zu denken, weil bis zur G36 einschließlich ja bei Studers Amateurriege nicht nur die Equalizingpots fehlten, sondern zudem keinerlei Trimmeinrichtungen für Aufsprech- und Wiedergabezweig vorgesehen waren. Dass -ebenfalls bis zur G36 einschließlich- auch an der Entzerrungsfront durch die damals für den Amateurmarkt in erheblichem Fluss befindliche Fachdiskussion auch Versionen existierten, die heute 'neben der Kapp'' liegen, sollte man vielleicht auch berücksichtigen, wenn man -wie im professionellen Sektor seit Anbeginn in extenso üblich- Programmaustausch pflegt. Ein solcher Programmaustausch zwingt nicht zuletzt im Zusammnhang mit Einmessungen zu Kompromissen oder wenigstens zu Vereinbarungen, die nicht immer gleichauf mit den Bandentwicklungen liegen.
Nach DIN (Profisektor) ist das Klirrfaktorminimum der Arbeitspunkt schlechthin, man richtet also den -übrigens von Friedrich Krones zu Beginn der 1960er im Profibereich stark forcierten- Delta-10-kHz-Arbeitsspunkt so ein, dass die Geräte im Klirrfaktorminimum arbeiten. Dass das grosso modo zu verstehen ist, 'versteht sich' von selbst, weil hier Zusatzparameter (z. B. des thermischen Ganges oder auch der Chargenkonstanz der Bänder) greifen, die ein Gerät geringfügig in den Klirrfaktoranstieg treiben können, was unter Umständen zu hören ist. Trotzdem kam der Rundfunk in Deutschland über Jahrzehnte mit dieser Vereinbarung glänzend zurecht, so dass es keinerlei Unterschied machte, ob nun eine Anstalt auf M15a oder A80 produzierte. Das Ergebnis ist noch nach Jahrzehnten dasselbe wie nach der Aufnahme, ließ sich über den ARD-Stern tadellos austauschen, ohne dass stundenlang gemacht und gemurkst hätte werden müssen.

Zu berücksichtigen haben wir hierbei, dass der Rundfunk und die ihm letztlich zuliefernde Plattenindustrie jahrzehntelang auf weitgehend genormtes(!), letztlich 'abwärtskompatibles' Bandmaterial aufnahm. Schwersten Herzens verzichtete man dabei -wegen der wirklich riesigen Archive und der Probleme bei einer Bandumstellung- immer wieder auf die Nutzung neuzeitlicher Bandentwicklungen, weil dies die Rumpfkompatiblitäten beschädigt hätte. Das letzte Kompromissprodukt dieser Art ist das 528, das man ja heute noch bekommen kann.

In den USA, wo man erst ab 1949 'wirklich' in die Magnetbandtradition einstieg, also eine Technikgeneration später anfing, von der rechtlich, politisch und geschmacklich völlig anderen Ausrichtung des Kulturphänomens "Rundfunk" dort einmal ganz abgesehen, sah das durch das Fehlen der Archive völlig anders aus, weshalb man dort bereits auf der Basis erheblich verbesserten Materials anfangen konnte und zudem einer verabsolutierten Qualität nicht diesen kompromisslosen Vorrang einräumte, einräumen musste wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier (einmal), weil die Strukturierung des Rundfunks dort anders ist als bei uns.

Von jenem Normgedanken bezüglich des Bandes scheint insbesondere bei den professionellen Studer-Magnetofonen in den Anleitungen immer etwas durch, während das klassische Chaos natürlich auf dem Amateurmarkt stattfindet, wo eine beachtliche Menge unterschiedlichster Bänder über den Markt schwirrten, so dass eine individuell passende Einmessung nur Zufall sein konnte.
Nun misst man aber nicht nach Anleitungen und ihren oftmals nicht mehr aktuellen Angaben (Bandsorten) ein, sondern nach den aktuellen Bedingungen, die in hohem Maße von den Bandsorten (525 und 468 waren Zeitgenossen!) und ihren Eigenschaften auf Magnetofonen bestimmter Kopfbestückungen (Spaltweiten technisch ansonsten einwandfreier Köpfe) abhängig sind. Hier wird man irgendwo eine Grenze dahingehend setzen, inwieweit man bei der Einmessung jedes halbe µ der Spaltweite noch korrigierend berücksichtigt. Spiegelresonanzen und die Anhebung tiefer Frequenzen durch seitliche Einstreuung von Vollspuraufzeichnungen in die Spurpakete von Einzelspuren (Bezugsbandwiedergaben) wird man aber im Auge behalten müssen.

Wirklich solide Durchdringung des Delta-10-kHz-Verfahrens und der notwendigen Vorarbeiten am Gerät (Spaltsenkrechtstellung), sollte schließlich die Grundvoraussetzung einer soliden Einmessung sein. Dann erweist sich nicht länger der rote Ordner oder die Service-Anleitung von F/G36, A77, A700 als Maß aller Dinge, sondern das Datenblatt des Bandherstellers. Kommt man da nicht mehr dran, wird es etwas lästiger, Auswege aber existieren auch hier, sowohl auf der Millivoltmeterebene als auch auf der der Klirrfaktormessbrücke.

Man liest dann auf dem Datenblatt des Herstellers -nach den eigenen Bedürfnissen, die sollte man spezifizieren können- jenen Arbeitspunkt ab, den man im Rahmen der Ansprüche der eigenen Arbeit für adäquat hält. Absolutes Klirrfaktorminimum, maximale Aussteuerbarkeit bei 1 kHz, 10 kHz oder 16 kHz. Speziell in Deutschland war man aber immer versucht, den Aussteuerbarkeitskompromiss mit der klassischen Definition des Arbeitspunkts (Klirrfaktorminimum bei üblicher Nenn-VA) übereinanderzubringen, was in der Regel ganz gut gelang und in den bei AGFA/BASF üblichen Datenblättern auch wunderbar abzulesen grafisch niedergelegt wurde.

Dass eine Frequenzgangprüfung heute bei hohen Bandgeschwindigkeiten mit 320 nWb/m zumeist möglich ist, sollte einen nicht veranlassen, dies zu generalisieren, denn die Amplitudenstatistik und die Entzerrungsnormen müssen dazu nicht in jedem Gerätefall ein "Ja & Amen" sprechen. Eine Frequnezgangeinstellung bei Vollpegel kommt bis heute nicht in Frage, weil man Sättigungserscheinungen sowohl bei Verstärkern als auch Bändern zu gewärtigen hat. Sie, bzw. die durch sie verursachten Fehler bei der Delta-10-kHz-Methode gehen ja in die Einmessung ein, was durchaus inakzeptable Reproduktionseigenschaften auslösen kann. Insofern und selbstverständlich erfolgt die Einmessung bei 20 dB unter Nenn-VA (Bezugsspegel, demnach hierzulande 320 oder 514 nWb/m).


Was macht man nun mit den Equalizingpotis? Der Wiedergabezug muss am einwandfreien Bezugsband entlang tip top justiert sein, wobei obigen Betrachtungen (Kopfspiegelresonanzen und seitlichen Einstreuungen) Aufmerksamkeit zu schenken ist. Die Einmessung selbst erfolgt dann so, dass man die VM auf 10-kHz-Maximum justiert und sie dann den bis zu Erreichnung des beabsichtigten Arbeitspunktes enntlang des fallenden 10-kHz-Pegels (-1,5, -2,5 dB) weiter steigert. Darufhin nimmt man den Freqenzgang auf und schiebt ihn mit Hilfe der Equalizing-Pots bei etwa 12-15 kHz in die Spezifikation. Bei den Tiefen macht man dasselbe, sofern ein solches Pot vorhanden ist.

Darufhin kann man die Einmessung selbst wiederholen und dabei kontrollieren, ob das 10-kHz-Maximum nach wie vor um den Delta-10-kHz-Wert über dem anhand des Datenblattes gesuchten Arbeitspunktswert liegt. Die absoluten Pegeljustagen (bei 1 kHz) habe ich hierbei bewusst übergangen, weil sie nichts zur Sache tun.


Mit diesem Verfahren bin ich immer bestens gefahren, Unterschiede zwischen Vor- und Hinterbandsignalen (ich arbeitete mobil mit je zwei B67 und zwei A77ORF über Dolby A) bestanden nicht bzw. im zeitgenössisch unvermeidlichen Rahmen. Die vielen Kollegen, denen ich einschlägig unter die Arme griff, beklagten sich auch nie, wobei die Einrichtung meiner Anlage (Studer 269 und obige Bandmaschinen) relativ bald auf die Überprüfung von Betriebsparametern optimiert wurde. Im Gegenteil, Mängel, die sich einmal im Überspielstudio zeigten, konnte ich über die Anpressung(!!) TD125 und Selbstbau-EZV, aber zielgenau als einen Fehler des dort aktiven Dolby A (damals ein 310) lokalisieren. Das wäre angesichts der Pegelsensitivität des Dolöby A wohl kaum drin gewesen, wenn meine Bandgeräte Tohuwabohu gestiftet hätten. Wie genau ich damals arbeitete, kann ich beim Gelegntlichen Auuflegen noch heute vorhandener, fast 30 Jahre alter Aufnahmen feststellen, die sie samt und sonders ein vorgeschaltetes Messprogramm aufweisen.

Übrigens lief anfänglich hinter dem Dolby neben der ersten A77ORF noch eine G36HS (35/70µs) her, die ja nun -abgesehen von den VM-Pots- keinerlei Einstellglieder besitzt. Die entstandenen Bänder waren gemeinsam als Master verwendbar, auch wenn ich in solchen Fällen natürlich vom Musikschnitt zwischen Bandmaterialien beider Maschinen bewusst abgesehen habe.


Welcher Art sind denn deine schlechten Erfahrungen? Ich habe mich -als professioneller Nutzer temporibus illis über allerlei bei Studer geärgert, kannte zu dieser Zeit allerdings die blasierten Usancen anderer Anbieter -darunter auch ein Anbieter aus Japan, dessen vier Namensbuchstaben einen deutschen Rumpfsatz formulieren- noch nicht.

Hans-Joachim
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Re: Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Beitrag von erich »

bravo Hans - Joachim !

Technik ist Technik. dies ist die Orientierung.

Das subjektive persönliche Empfinden bleibt jedem selbst überlassen.

Wenn ich meine Geräte einmesse, gebe ich beim Bass immer etwas mehr ` Gas ´.

Gruß

Erich Schleicher
dynavox
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Re: Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Beitrag von dynavox »

Sehr geehrter Hans-Joachim,

zuerst einmal vielen herzlichen Dank für Deine Antwort. Deine zugegebenermaßen beneidenswerte Schreibe fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Die Bereitschaft und das Engagement mit dem Du an die Sache herangehst und uns Forumsmitglieder an deinem Wissen und deiner Erfahrung ganz selbstverständlich teilhaben lässt, verdienen allerhöchsten Respekt.
Daher möchte ich auch gleich die Gelegenheit nutzen, hier einige Missverständnisse auszuräumen.

Betreffend des Anwendungszwecks einer Bandmaschine sollte ich mich nüchtern betrachtet ganz klar in die zweite Kategorie einordnen, wobei ich im Idealfall nach der eierlegenden Wollmichsau strebe, eine Mutation zum reinen Effektgerät fände ich jedoch schon etwas hart formuliert.

"Unterirdisch" im Bezug auf die Reproduktionsqualität ist sicherlich völlig unpassend, ich bedaure das aufrichtig und darf das an dieser Stelle zurücknehmen. Jedoch war es auch nie meine Intention, hier irgendwen in die Verdammnis zu schicken, was ich mir auch nie anmaßen würde.

Möglicherweise wäre der Beitrag in der Studer Abteilung besser aufgehoben, wobei ich - ungeachtet vorhandener regelbarer EQs - doch in beiden "Lagern" recht ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Wie mir deine Antwort bestätigt, dürfte dies aber in erster Linie an den vielleicht nicht mehr ganz aktuellen Delta U Werten, sowie den nicht vollständig vorliegenden Kennlinien liegen, die den entsprechenden Manuals zugrundeliegen. Aktuelle Datenblätter des verwendeten Bandes wären hier sicher von Vorteil, beziehe ich mich bei meiner Grundeinstellung doch bisher immer auf das Manual, sodass ich das ganze Einmessprozedere auch mehrmalig wiederholen muss, um ein messtechnisch aber auch subjektiv in Einklang bringendes Ergebnis zu erlangen. Auch sind meines Erachtens vernehmbare Unterschiede verschiedener Bänder ein und desselben Typs vorhanden, aber das soll hier nur am Rande bemerkt sein.

Das die Wiedergabe-EQs natürlich vor Bestimmung der Aufnahmeeinstellung pingelig justiert sein wollen ist auch klar, es war wohl offensichtlich doch schon etwas zu spät um solche Threads zu schreiben.

Natürlich muss(te) man sich gerade in Bezug auf Austauschbarkeit etc. auf einen Standard zur Bestimmung des idealen Arbeitspunktes festlegen (k3 min, max. Gleichfeldrauschabstand, etc...), auch wenn dies unter Umständen mit Kompromissen der max. Höhenaussteuerbarkeit einhergeht.
Nun - das Thema Austauschbarkeit ist für mich natürlich Keines, zumal ich meine Maschinen eher sporadisch einbinde.
Wer produziert und archiviert heute in Zeiten von ProTools und Konsorten noch ernsthaft mit Bandmaschinen?
Ich betrachte meine Bandmaschinen als Luxus, den ich schon aufgrund des Haptikfaktors nicht missen möchte. Und falls eines dieser Geräte mal für die Overheads oder möglicherweise auch in der Summe herangezogen wird, verspricht man sich ja auch eine - wenn auch eher subtile - Veränderung des Signals in eine bestimmte Richtung, was man wohl allgemein hin als Analogsound oder analoge Wärme assoziieren mag. Ich spreche hier wirklich von Nuancen, insofern war - ich darf dies an der Stelle noch einmal wiederholen - die Beschreibung "unterirdisch" 100 prozentig neben der Kapp. Ernsthaft schlechte Erfahrungen habe ich in dem Sinne natürlich nicht gemacht,

In erster Linie möchte ich hier lediglich zu einem Erfahrungsaustausch anregen, wer welche Maschine wie und unter welcher klanglichen Zielsetzung einmisst oder vielleicht dabei auf Hindernisse stößt.
An dieser Stelle auch an Erich vielen Dank.

Eine Frage hätte ich nun aber doch noch an Hans-Joachim, da ich weiss, dass Du mir diese bestimmt beantworten kannst:
"Unterscheidet man nicht zwischen "guten" und "bösen" k (quadratisch, kubisch, usw...) oder bringe ich hier etwas komplett durcheinander?

Viele Grüße
Edwin
PhonoMax
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Re: Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Beitrag von PhonoMax »

Lieber Edwin (nebst Mitlesern)

über deine Aussage zum "unterirdischen" Klang brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich denke, dass hier jeder weiß, was du damit wie gemeint hast. Und der Willi wird es dir aus dem Paradies der Tonbandpioniere herab als lebenslanger Besucher der Luzerner Festspiele aus Dankbarkeit und Leidenschaft sicher auch gerne nachsehen. Denn er wüsste, dass ihr beide an den beiden entgegengesetzten Enden desselben Stranges zieht. Damit erkennt jeder das Seil im Wege, und keiner stolpert drüber.

Hinsichtlich der Partialtonfrage rührst du natürlich an ein mitunter fast mit religiöser Inbrunst (und reichlich häufig wenig kompetent) vertretenes Thema, mit dem der Organist (ich bin so einer) allerdings klassisch aufwächst und infolgedessen von er Sache her auch schwerlich praktische Berührungsängste entwickeln kann. Außedem achtet er auf diese klanglichen Elemente, auf die man den Normalbürger erst hinweisen muss.

Also:
Geradzahlige Oktav-Partialtöne über dem Grundton (2, 4, 8, 16.) etc. pp. hört man vergleichsweise wenig als 'klangverfärbend. Sie tragen Frische ins Klangbild: Der Organist zieht zum 8' ("Achtfuß", die Lage der Klaviertastatur) 4', 2', 1', hellt das Klangbild damit auf. Erheblichen Einfluss aufs Klanggeschehen (übrigens und natürlich auch beim Bau von Musikinstrumenten und den Eigenschaften derselben beim Spiel p vs. f) nehmen vor allem der dritte und der fünfte Partialton. Sie liegen noch hinreichend niedrig, so dass unser Ohr sie unmittelbar konstatieren und über einen relativ großen Tonambitus als klangfärbend identifizieren kann.
Berücksichtigen muss man allgemein, dass Partialtöne ab einer bestimmten Lage den Hörfrequenzbereich verlassen, also gar nicht mehr als Klangveränderungen wahrgenommen werden. Auch das führen die Orgelbauer der Tage ohne Elektroakustik recht schön vor, denn sie hören mit den Teiltonspäßen auf, wenn das Ohr sie nicht mehr wahrnimmt, entsprechende Register handwerklich nicht mehr gebaut und auch nicht mehr einwandfrei gestimmt werden konnten. Sie waren bereits unverhältnismäßig teuer (es ging jede Menge baulich in den Ausschuss), geschweige denn waren sie musikalisch einsehbar noch von notwendigem Einfluss.

Das Magnetbandverfahren liefert nennswert als klassische 'Störgröße' faktisch nur nur den k3, also den dritten Partialton; eben jene Quinte, die natürlich auch kräftig zu hören ist, wenn man das Band zu hart ausfährt. Alle anderen Partialtöne über dem Grundton werden in so kleinem Pegel zugeliefert, dass sie praktisch im Originalsignal nicht mehr wahrnehmbar sind. (Schöne Abbildung im Scholz, Magnetbandspeichertechnik. Berlin 1969, S. 156.)

Man war also bestrebt, durch geschickte Auslegung des Bandes einerseits und eine solide Aussteuerungsmessung (die Spitzenspannungsmessung 10 ms hat hier ihre schon vergleichsweise alte Wurzel) andererseits der Sache beizukommen. Man passte daher das Nutzsignal schön in den vertretbaren Bereich hinein, was schon 1941 so möglich war, dass man sich fragt, warum der HiFi-Gedanke erst Ende der 1950er aus den USA zu uns herüberschwappte. Ab der T9 spätestens war das hier professionelle Realität.

'Unselig' sind die physikalischen Gegebenheiten des Bandes, das mit dem Übergang vom würfelförmigen Magnetit auf den nadelförmigen zwar die Aussteuerbarkeit des Bandes infolge des nun deutlich höheren (Flächen-)Füllfaktors einer solchen Magnetitform enorm erhöhte, die K3-Minimierung durch die Vormagnetisierung aber erschwerte. Das Klirrfaktorminimum k3 sank zwar weiter ab, wurde aber gleichzeitig deutlich steilflankiger. Wenn man also mit dieser letztlich bis heute gültigen Magnetitbauart Bänder baute, musste eine recht hohe Chargenkonstanz bezüglich der magnetischen Eigenschaften gewährleistet werden können, um den k3 (also jene Quinte) nicht in eine der ansteigenden Flanken gleiten zu lassen. Man kann sich das ganz schön in den Datenblättern neuzeitlicher Bänder ansehen. Der k3 ist also ein grundsätzliches Problemgebiet der analogen Magnetaufzeichnung, zumal Mikrofone, Verstärker (nicht aber Lautsprecher) die Werte des Magnetofons schon lange hinter sich ließen. Hier bot sich also eine Spielwiese für die verbesserung, um diesen Störenfried in seine Grenzen zu verwweisen, den du allerdings gezielt suchst:

Du solltest infolgedessen für die Mobilisierung des Sättigungseffektes -um diese vielfältig dynamische (=abhängig von wechselnden Parametern) Pegelbegrenzung geht es dir ja- ein günstigen Arbeitspunkt, nicht zuletzt aber auch ein geeignetes Band heraussuchen. Bei neuzeitlichem Bandmaterial (468 gehört dazu, 911, vor allem aber 900, GP9 und so etwas) könnte das für die Aufsprechverstärker eng werden, weil der analog-magnetische Aufzeichnungs- und Wiedergabeprozess ja außerordentlich nichtlinear verläuft. Das einer allgemeinen Norm entsprechen hinzuzerren ("Entzerrung") kostet nicht unerheblich Aussteuerbarkeit der Aufsprech- und WIedergabeverstärker. Soviel, dass man beim Versuch, ein Band in die Sättigung zu expedieren, bereits die Verstärker an der Versorgungsspannung anlaufen lässt. Du kennst dazu vielleicht die schöne Grafik in den früheren Webers-Auflagen.
Das 900 erreicht hier die physikalische Grenze des klassischen, analogen Magnetbandes, sollte also für Sättigungesbegrenzungen keinesfalls verwendet werden, weil man hier eher das große Los auf eine Verstärkerübersteuerung zieht. Und die klingt nun nicht so, wie man sich das eigentlich vorstellt, sondern eher 'unterirdisch'. Vielleicht kann man mit einem 'geschickt ungünstig' gewählten Arbeitspunkt diesen Engpässen in deinem Sinne entgehen, ich allerdings habe damit keine Erfahrung, weil ich schlicht infolge meiner 'musikalische Herkunft' und Arbeitsweise schwer erschließen kann, was du da wirklich hören willst.

Götz Corinth hielt zum 900 gemeinsam mit Friedrich Engel auf der Tonmeistertagung 1994 einen Vortrag, in dem er das Dilemma eines solchen Bandes auch von der elektronischen Seite behandelt (Tagungsbericht 1994, S. 868ff); natürlich aber von der Seite, der ich zugehöre. Das ändert aber nichts daran, dass man klar erkennt, dass solch ein Band zur Sättigungsgewinnung ungeeignet ist. Die Wege, die Corinth da beschreitet, sind aber so reizvoll, dass man gerade auch aus deiner Warte den Aufsatz sicher mit Gewinn liest.

Du benötigst für deine Begrenzungen eher einen betagten Bandtyp, dessen Rauschen aber höher ist, so dass man unter Umständen mit Dolby (oder -weniger- Telcom) wird arbeiten müssen, was aber auch (gerade wegen der Sättigungen) eigene Maßnahmen erfordert, um die Aufzeichnungs- und Wiedergabefehler nicht unzulässig anwachsen zu lassen. Du müsstest wohl überlegen, ob du mit einem 525, einem aus dem Klirrfaktorminimum herausgeschobenen Arbeitspunkt und vielleicht gar der Aufnahme bei 19 cm/s am zuverlässigsten das Band und nicht die Korrekturverstärker sättigst. Gegenfalls bedarf es der Kombination von allem, weil die Entzerrungen natürlich nach den gängigen Amplitudenstatistiken und einer sinnvollen Ausnützung auch der Verstärker gelegt wurden.

Da könnte man durchaus auch im Detail drüber sprechen.


Hans-Joachim
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Re: Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Beitrag von dynavox »

Sehr geehrter Hans-Joachim,

zuerst - vielen herzlichen Dank für die Beantwortung meiner Frage.

Im Wesentlichen habe ich das wohl begriffen, jedoch möchte ich dieses Thema für mich erst noch etwas erkunden, bevor ich dazu meinen Senf gebe, bzw. das ganze im Dialog mit Dir noch weiter vertiefen kann. Komme aber zu einem späteren Zeitpunkt gerne noch einmal auf Dein Angebot zurück.

Den Rest meines 525er Schleifpapiers habe ich übrigens vor langer Zeit entsorgt, LGR30 sollte aber auch funktionieren?

Viele Grüße

Edwin
PhonoMax
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Re: Das ewige Thema - Korrektes Einmessen

Beitrag von PhonoMax »

Lieber Edwin,

LGR 30 (1967/68) ist aber de facto das Konkurrenzprodukt zum 525 stereo (also dem zweiten 525), mit dem dem man hierzulande in die Rundfunkstereofonie einstieg. LGR30 wurde lediglich schon 1968 eingestellt, als BASF die Luvithermepoche abschloss, die dank der Fachkompetenz Rudolf Robls und Heinrich Jacqués fast 25 Jahre angedauert hatte.
Als Ersatz wurde dann LGR 30P (auf PE-Träger, trotzdem mit dem obligatorischen "L", 1968-1981) angeboten, was nicht nur wie 525 aussah, sondern auch praktisch dieselben Daten besaß. Beide Bänder waren natürlich kalandert, wenn auch nicht so weitreichend wie 468 oder GP9; man befriedigte damit ja auch Ansprüche der Praxis, die sich zwischen AGFAs PER und GP9 zwangsläufig wandeln mussten. Schleifpapier ist vielleicht etwas hart ausgedrückt ....

LGR30 funktioniert.
Die Sättigungsremanenz liegt für LGR30 bei 1310, für 30P bei 1365 nWb/m, während 525(stereo, also das, was uns geläufig war) 1300 nWb/m aufwies. EMTECs 468 kam 3,5, das 911 4,5 dB und 900 schließlich 5 dB weiter als LGR 30P. Das heißt, dass du mit 4,1V dein LGR30P voll an der Wand hast (VA auf 514 nWb/m bei 1,55 V). Das wird nicht mehr zu ertragen sein, ist aber leichter zu erreichen als die dafür bei 911 erforderlichen knapp 7 oder beim 900 mehr als 7 Volt (immer unter denselben Umständen), bei denen die Verstärker wohl nicht mehr mitspielen werden.

Hans-Joachim
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