GELÖST: Elektromagnetischer Verschleiß bei Profibändern

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Evox(er)
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GELÖST: Elektromagnetischer Verschleiß bei Profibändern

Beitrag von Evox(er) »

Hallo in die Runde,

wie oft ist ein Profiband ohne nennenswerte Qualitätseinbuße bespielbar? Wie haben das Rundfunkanstalten gehandhabt?

Viele Grüße aus der Pfalz

Benno Antz
Struppi
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Re: Elektromagnetischer Verschleiß bei Profibändern

Beitrag von Struppi »

@ Hallo Benno,

ich bespiele meine PER 528 grundsätzlich bei 19 cm/sek nur ein mal.
Ich glaube die Rundfunkanstalten haben dies auch früher so gemacht.
Gruß
Rolf
PhonoMax
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Re: Elektromagnetischer Verschleiß bei Profibändern

Beitrag von PhonoMax »

No, lieber Struppi,

das ist aber ein Gerücht. Denn seit Anbeginn der hochwertigen Magnetbandtechnik -das ist inzwischen ja so "zirkamnja" 66 Jahre her- ist nun gerade die uneingeschränkte Wiederbespielbarkeit ehedem bespielter Bänder eines der zentralen Argumente des Rundfunks für seine Verwendung des Magnetbandverfahrens als Speichertechnik gewesen. Einmal abgesehen davon, dass deine Formulierung wohl unabsichtlich (aber dennoch nicht zutreffend) die Bandgeschwindigkeit 19 cm/s als die des Rundfunks postuliert. Der Rundfunk verwendete seine Bänder ausschließlich deshalb und dann nur einmal, wenn sie durch Schnitte 'verdorben' oder durch die Editierung so stark verkürzt waren, dass eine weitere Verwendung infolge der in Sekundenschnelle über den Daumen nicht mehr zuverlässig abschätzbaren Laufzeit auszuschließen war. Der Rundfunk kopierte und schnitt sich ja zu Tode. Blieb dann Material übrig, das nicht sofort und längenmäßig als noch brauchbar gelten konnte, wanderte es in den Papierkorb. Da fackelte man nicht lange, war das Band doch das Verbrauchsmaterial schlechthin, das zu günstigsten Preisen lastwagenweise eingekauft wurde. Außerdem war der Produktionsprozess durch die Beteiligung vieler -zu bezahlender- Personen einfach zu teuer, um nur wegen eines "April, April, mein Band war leider drei Takte vor Schluss zuende!" einen Take für den Orcus produzieren zu können. Lieber die nächsten 44 Minuten aufgelegt, als einmal eingestehen zu müssen, dass "es nicht gereicht" habe.
Dass ein mit Schnitten garniertes Band ohne weitere inhaltliche Bedeutung für keine zukünftige Verwendung mehr taugte, versteht sich von selbst.

Der Speichereinsatz bei einer Rundfunkanstalt muss immer unter dem Aspekt des rund laufenden Gesamträderwerks dieses namentlich früher gigantischen Produktionsapparates gesehen werden, dessen runder Lauf an allererster Stelle stand.

Bandmaterial mit zu schlechter (Kopier- bzw.) Löschdämpfung auf den normgemäß eingestellten Maschinen lehnte man ab, was auch manchem neu entwickelten Bandtyp das Leben kostete, wenn Altaufzeichnungen auf ihm zu schlecht zu löschen waren. Wiederverwendbarkeit war -auch in dieser Hinsicht- immer zentrales Argument.
Man bedenke, dass eine Anstalt hunderte von Bandmaschinen in Betrieb hielt, die man nicht so einfach "täglich mittwochs außer Donnerstag" neu einmessen konnte, ganz zu schweigen von dem Netzwerk der Hochwertigkeit innerhalb der ARD und der UER (Union der europäischen Rundfunkanstalten), das wegen eines durchaus engagiert betriebenen Programmaustausches bei allen Beteiligten weitgehend identische Bedingungen fordern musste.


Deine Mutmaßung ein-facher Vewendung rührt meiner Ansicht nach aus dem Phänomen des Vormagnetisierungsrauschens des Bandes her, das auch vom Liebhaber beobachtet und natürlich als 'qualitativer Mangel' empfunden wurde, lag es doch hörbar über dem Rauschen eines hinsichtlich einer Vormagnetisierung völlig unbehandelten Bandes.
Dies wurde selbsterklärend mit obigen Produktionsusancen des Rundfunks zusammengebracht, womit die Legende von der einmaligen Verwendung unter diesen "Qualitätsbedingungen" geboren war. Wieder einmal als Legende, also einer Geschichte mit wahrem Kern, der aber woanders lag, als der Liebhaber mutmaßte, denn das bei jeder Erstaufnahme zwangsläufig auftretende und in jedem Datenblatt eines Bandes erwähnte "bias-noise" war nun weiß Gott nicht der Grund, warum viel Band weggeworfen werden musste.

Du darfst also getrost dein Band unbegrenzt verwenden, ohne befürchten zu müssen, qualitativ irgendwann 'auf der Trägerfolie aufzulaufen'. Wenn die Schicht sich verabschiedet, na, dann ist (aus wieder anderen Gründen) natür-lich Schluss. Das kennen wir ja auch.

Benno antworte ich deshalb: "Bespiele dein Band solange, als keine mechanisch relevanten Schichtbeeinträchtigungen zu verzeichnen sind. Bei gut gewartetem, konstruktiv ordentlich konzipiertem Bandlauf können das problemlos hunderte von Verwendungszyklen sein. Wird indes ein Band physisch kritisch (scharfe Umlenkungen, starke Erwärmungen etc.) wie beispielsweise durch Kopftrommeln und zugehörige komplexe Bandführungen wie bei DAT- oder Videobändern belastet, die überdies Signale hoher Dichte und erheblicher technischer Ansprüche an die Aufzeichnungsintegrität enthalten, sinkt diese hochwertige Bespielbarkeit insbesondere dann deutlich ab, wenn ein solches Band auch noch in Editiereinrichtungen (Videoaufzeichnung!) massiv 'genudelt' wurde."

Hans-Joachim
Struppi
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Re: Elektromagnetischer Verschleiß bei Profibändern

Beitrag von Struppi »

@ Hallo Hans Joachim,

danke für deinen Hinweis. Ich habe wieder etwas hinzu gelernt. :D
Gruß
Rolf
Evox(er)
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Re: Elektromagnetischer Verschleiß bei Profibändern

Beitrag von Evox(er) »

Hallo Struppi und Hans-Joachim,

herzlichen Dank für Eure schnellen Antworten.
Bei Dir - Hans-Joachim - hat mich erstaunt, daß Du Dich schon morgens um vier Uhr solchen Fragen zuwendest. Aus Deinen vielen Beiträgen lese ich, dass Du ein langes Berufsleben hinter Dir haben musst. Ich finde es schön, dass wir in einer Zeit vieler sog. " Experten", mit Dir einen wirklichen alten Hasen in der Runde haben, der mit viel Geduld seinen reichen Erfahrungsschatz weitergibt und uns ermutigt , die faszinierende Technik der Tonaufzeichnung genauer zu erschließen.
Was hälst Du eigentlich so vom Digitalisierungswahn?

Es grüßt Euch herzlich

Benno Antz
PhonoMax
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Re: Elektromagnetischer Verschleiß bei Profibändern

Beitrag von PhonoMax »

Lieber Benno,

vielen Dank für diese -ernsthaft- schöne Frage, die wir -ich meine es wäre hier gewesen- auch schon einmal diskutiert haben. Nun kommen wir dabei in den Bereich der Kulturphilosophie, die nicht erst seit O. Spengler bav Bibliothekenregale gefüllt hat....

Was halte ich also davon, der ich (das musste ich auch erst aus dem Munde Dritter hören) als 'Digitalpionier' gelte (wie man zu solchen Etiketten kommt,..., hüstel, Jungfrauen und Kinder sind nichts dagegen!).

Nichts und unendlich viel zugleich, denn nicht die Digitalisierung ist schlecht, sondern das, was wir damit (neuzeitlich modisch) kommerzsüchtig anstellen.

So wurden die recht engen Grenzen der analogen Speichertechnik doch deutlich 'nach draußen' verlagert, was einem Luft bescherte, die in der analogen Speichertechnik nicht in dieser Form realisierbar war. Der Übertragungskanal erhielt damit bis zur Speicherung eine Einheitlichkeit, die es zuvor nicht gab, wenn man bereit war, sich auf die neuen Bedingungen ein wenig einzustellen. Nachdem dies von der professionellen, alten (analogen) Technik ganz selbstverständlich gefordert wurde (man musste immer im Auge haben, welchen Zwecken die Aufnahme zugedacht war), entsprach das zumidnest meiner herkömmlichen Arbeitsweise. Der Umstieg fiel mir daher vergleichsweise sehr leicht, zumal ich auch den Laden technologisch zu durchdringen bemüht war, weil mich das Wie und Warum immer interessierte.

Schwieriger wird es, wenn dem homo sapiens zuviele Möglichkeiten eingeräumt werden. Dann, wenn er sich nicht mehr an Problemen reiben kann, nicht mehr auf 'Abhilfe sinnen' muss, wird er leicht ideenlos, folgt in seiner Hilflosigkeit Moden, also dem, was 'in' ist: 'Man macht (mit)', ohne dass sich an dieser Front viel täte. Es ist dies dann der Ort, an dem die 'apparative Medizin' irre Spielwiesen vorfindet, die angesichts der praktisch nurmehr weichwarenmäßig existierenden Hartware faktisch keine Grenzen mehr kennt. Der rein menschliche (auch 'haptische') Zugriff ist dann nur mehr auf dem Weg der Überlegung (über die "Bedienungsoberfläche" des Bildschirms) möglich, was eine starke Einschränkung gerade für den bedeutet, der ein Verhältnis zu 'seiner Hände Werk' hat. Und das gilt ganz besonders für Physiker, Mathematiker oder Musiker.
Müsste ich -alsOrganist- eine Orgel Andreas Silbermanns (ich denke an Marmoutier im Elsass; A und sein Sohn J.A.Silbermann sind Stradivaris der Orgelszene) am Bildschrim spielte, jede Freude am Klang dieses Dings wäre dahin; Ideen, die beim 'haptischen' Umgang mit 'dieser Maschine' automatisch kommen, müssten mühsam in die elektronische Praxis unmgesetzt werden. Kurz: Bei mir zumindest kämen sie nicht.

Die Folgen dieser ungebremsten Möglichkeiten nenne ich gemeinsam mit den Erweiterungen durch die digitale Technik schon seit mehr als 20 Jahren den "digitalen Schlendrian" ("Es geht ja 'schon so' besser als vorher; mehr brauchen wir nicht!"), der uns allüberall umgibt. Man höre sich ein Standard-Rundfunkfeature aus den 1960er Jahren an: Da sprechen Leute, die nicht nur stimmlich (das danken wir unserem Schöpfer...) etwas draufhaben und für diese Zwecke wirklich geeignet sind, sondern ihren Text auch sprachlich wie inhaltlich drauf haben, also das Manuskript nicht erst 25 Minuten vor der Aufnahme unter die Augen bekamen und nun intellektuell unter Aufbietung aller klassischen Verschleierungtaktiken durch die aufgestellten sprachlichen Hindernisse stolpern. Sie sprechen angesichts der damals vorausgesetzten stimmlichen Möglichkeiten verständlich nach Inhalt und Artikulation, komme mit dem Mikrofon und der nachfolgendne Speicherung gut zurecht, ohne dass ständig in den heute offenbar unabdingbaren Multibandbegrenzer hineingefahren würde, bzw. man diesen dazwischenschraubt, um die Stimmen modisch 'fett' klingen zu lassen. Ich kann dieses Wort nicht mehr hören, höre natürlich den Unterschied in der Gestaltung damals vs. heute auch nur im Vergleich bzw. daran, dass man die Lieblosigkeit bei der Erstellung von Typ schnell-schnell eben doch allzuhäufig merkt.
Es gab keinen (so hochwertigen) Kompressor/Begrenzer (wie heute), der so aber längst zum ständig mitbröselnden Stilmittel geworden ist. Bitte in seiner hyperperfekten, halogenstrahlerglänzenden Form. Mir ist es lieber, ich höre die Stimme, höre meinetwegen auch das Mikrofon (oder die Tischreleflexe), wenn der Sprecher dran sitzt. Es ist dies für mich ein schöner Wein, ein individuell selbst gekelterter Apfelsaft, den man mir einmal in der Schweiz vor 35 Jahren (im Kanton Zürich...) kredenzte und den ich mein Lebtag nie vergessen werde. Eben kein digitaler Schlendrian; da wusste die Küferin / der Küfer, welches Chaussee-Äpfel er zusammenzumischen hatte...

Was wir aber auch sehen müssen, ist der interessante, heilsame Druck, der durch den Technologiewandel in die Geräteindustrie insbesondere auf der Mikrofonseite, aber auch der der Mikrofonierung, des Auseinanderhaltens von Monofonie und Stereofonie (2 bis x-kanalig) kam (es geriet vieles auf den Prüfstand!), obgleich dabei natürlich die Krückenhaftigkeit einer medialen Überlieferung/Übertragung zumindest in den Bereichen deutlich wird, die mir musikalisch nahe stehen: Akustische Realisation mehr oder minder "Klassischer" Musik. Für mich gehört der reale Raum zur Musik, denn psychoakustisch weiß ich, dass wir 'eigentlich' mit einem Freifeldempfänger (unsere Ohren) ausgestattet, aber irgendwann und entwicklungsgeschichtlich relativ früh mit dem diffusen Schallfeld (geschlossener Räume) konfrontiert wurden, was so ziemlich alles durchainanderbrachte, was unsere Ohren bis dato gelernt hatten, unsere 'Vorfahrer' aber (Bzw. deshalb) so tief beeindruckt haben muss, dass uns diese Faszination bis heute nicht mehr losließ.
Dieser Paradigmenwechsel brachte 'stereofone Erkenntnisse' mit sich, die auch durch die im Zuge der Digitalisierung neuerlich erstarkende psychoakustische Forschung reizvoll stürmisch durch die Branche geblasen wurden. Da tat sich einiges: Das Kugelmikro (der Druckempfänger) kam wieder zu mehr als nur verdienten Ehren, andere Mikrofontypen erschienen auf dem Markt, man machte sich halt Gedanken. Insofern kam es im Bereich der Gerätetechnologie sogar zu einer klassischen Gegenbewegung zum oben skizzierten 'digitalen Schlendrian' (der aber auch apparativ unterstützt wurde und wird!).
Ich mische heute selbstverständlich digital, speichere digital, da dies Verfahren unter meinen Anforderungskriterien ("Nach Möglichkeit kein Einfluss des Übertragungskanales auf das zur Verfügung gestellte Signal!") schlicht die Nase um Größenordnungen vorn hat.

Ob dies indes wirklich nötig ist, bezweifle ich ich nicht nur füglich, sondern auch wissend.
Es ist dies nicht nötig, und vor allem dann nicht, wenn wieder einmal der digitale Schlendrian mit miesen Sprechern ('Headset nebst elektronischer Aufbesserung'), musikalisch mörderischem Tralala (Trailer oder Jingles; ich bitte vorsorglich potenziell Betroffene um Vergebung) einem Lebensminuten raubt. Man hört eine Aufnahme aus den frühen 1950ern (meinetwegen gerne auf 6,5 mm und mit 77 cm von der T8 oder K8) und es kommen einem die Tränen, weil es klingt, wie wenn es gestern gewesen wäre, und keiner, aber kein einziger der vor 57 Jahren Beteiligten mehr lebt. Wenn man Walter Gieseking wohl im Sommer 1944 vor der akustischen Kulisse der im Kriegsberlin ballernden Flak unbeeindruckt seine durchaus spielfehlerbehhafteten Kreise durch Beethovens 5. Klavierkonzert in einer Klangqualität (2½ Jahre nach der Betriebseinführung des Magnetofons bei der RRG oder 4½ Jahre nach der Entdeckung der Hf-Vormagnetisierung durh Walter Weber) ziehen hört, die einen nur sprachlos macht (und, hüstel, nach der Aufnahmetechnik -heute übrigens hyperaktuell: L-C-R!- fragen lässt.), tja , dann erlebt man Menschen, die einem lange nach ihrem Tode etwas zu sagen haben. Wen diese Dinge interessieren, der wende sich an mich. Die Sachen sind publiziert, die Umstände zu einem beachtlichen Grade geklärt, was sich zweifellos bis heute auch der Faszination an diesem Speichermedium mitteilt; war in ihm doch zu ersten Male in der menschlichen Geschichte die Möglichkeit gegeben, auf einem Medium einen erkennbar 'realen' Vorgang mit höchster Qualität zu speichern, so wie wir das heute allüberall voraussetzen. Jeder, der sich heute ein halbwegs gesundes Gefühl für technologischen Aufwand bewahrt hat, fühlt bis jetzt, was da im Frühjahr 1940 auf dem Arbeitstisch des genannten Dr. Walter Weber -auch in seinem analytischen Verstand- vorgefallen sein muss. Der Druck in dieser Entdeckung hielt ja Aktualität beanspruchend über mehr als 50 Jahre kaum verändert an. Erst die Digitaltechnik war durch ihre völlig anderen Ausgangsbedingungen in der Lage, da einen Punkt zu setzen, für den es aber zuvor auch schon wieder eines fast 25-jährigen Einstartens bedurfte.

Kurz und zum Abschluss:
Technologien und Fortschritt sind nicht per se schlecht. Wir machen etwas draus; oder eben nicht. Um etwas gescheites zu Wege zu bringen, braucht der Mensch Gegenwind und Reibungsflächen, keine glatt polierte Perfektion, sondern ideenfördernde Probleme, was übrigens unter bedeutenden, noch nicht vom Eigengenius verseuchten Musikern des 18. Jahrunderts schon einmal recht reizvoll diskutiert wurde. Vom Kapellmeister Bach aus Leipzig geht die Kunde, dass er, der in seinem Leben wohl jenseits 100 Privatschüler unterrichtet und dabei einen geradezu dramatischen Einfluss auf die europäische Musikszene der Generationen nach ihm genommen hat (Liszt ist ohne den Altleizpiger kaum denkbar), Schüler mit wachem, aggressivem Geist suchte, die dem Alten widersprachen, ihn zur Argumentation und damit zur Ideengenerierung anhielten. Vor dem Problem fehlenden 'Widerspruches' oder Gegenwindes stehen wir bei den glatt perfektionierten Möglichkeiten digitaler Technik. Wir lösen dieses letztlich geschmackliche Problem zweifellos nicht mehr. Insbesondere dann nicht, wenn eine "marktradikal wild gewordene" Ökonomensoldateska meint, für menschliches Denken und Tun bis in die propagandistische Lüge hinein "Richtlinienkompetenz" beanspruchen zu dürfen, wesentliche Bestandteile menschlich traditonellen Tuns und Wollens dem Verdikt des "Überflüssigen" zu unterwerfen.
Bach und Markt?
Entschieden wir "pro Markt", gäbe es keine H-moll-Messe, kein Weihnachtsoratorium, keine Matthäus-Passion, keinen 3. Theil der Clavier-Übung, keine Goldberg-Variationen. Wo läge dann der Sinn? In München vielleicht? Aber da ist er ja schon.

Hans-Joachim
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