Teesoweit,
jetzt geht's los...:
Der Preis von Profiband ist nicht höher als derjenige von Amateurmaterial. Bedenke, dass die Tage des analogen Magnetbandes zuende sind, auf dem klassischen Amateursektor schon seit 25 Jahren, denn die Absatzziffern von Spulenbändern weisen schon seit der Hoch-Zeit der Cassette nur in eine Richtung: dramatisch abwärts. Der Magnetit von LPR35 und 911 ist identisch, die Unterschiede beider Bänder ergeben sich aus den unterschiedlichen Stärken der Trägerfolien und der Beschichtung. Früher war es auch noch so, dass Profibandmaterial besonderen Qualitätsprüfungen unterworfen war, da Hersteller mit ihrer Produktpalette eine berufliche Ehre verbanden. Derlei Tage sind nach 30 Jahren kompromissloser, ideologisch bedingter Anbieterhofierung weitgehend hinter uns: Vgl. das heute veröffentlichte Herbstgutachten der berühmten "Weisen".
Wenn du mit 38 arbeiten willst, kannst du gerne Produktionsversuche mit Langspielband anstellen, solltest dich dann aber mit der Aussteuerung bescheiden, weil du sonst präzise Einsätze, zwei, ja dreimal als Vorecho hören kannst. Dasselbe gilt für spektakulärere Schlüsse, die als Nachecho gerne längeres Leben entfalten. Es ist kein Zufall, dass die Profitechnik weltweit bei 38 und Standardband geblieben ist, obgleich denen der Bandwechsel nach erst 60 Minuten bestimmt angenehmer gewesen wäre als nach den gängigen 44 Minuten.
468, 900 und 911 werden von RMGI, Oosterhout heute noch nach den Rezepturen (aber nicht mit den Maschinen) der AGFA-BASF-EMTEC gefertigt. Dabei gehört 468 als genialischer Wurf der AGFA (1973, damals noch der Mannen um Friedrich Krones) der frühen Zeit des LH-Bandes in Profihand an, während das 911 (ehemals der BASF) als Fortentwicklung des 910 ein Kind der 1980er ist. 900 markiert als wieder etwas abweichender Bandtyp die letzte vollzogene Fortentwicklungsschicht der frühen 1990er, über die das Verfahren der analogen Tonaufzeichnung nicht mehr hinauszuquälen war, obgleich bei der Sprengung der EMTEC 2003 auf dem Schreibtisch des Entwicklers Dr. Gerhard H. eine Fortentwicklung des 900 bereits in ersten Mustern bereitlag. Dabei blieb es aber.
Die Bänder unterscheiden sich also ein wenig.
Eine weitere Gruppe stellt das 528 als Band der zentraleuropäischen Rundfunkanstalten, die in der alltäglichen Arbeit mit ihren riesigen und durchwegs bereits alten, da in die 1940er Jahre zurückreichenden Archiven zu tun hatten, weshalb dort eigene Bedingungen bezüglich einer vertretbaren Arbeitspunkkompatibilität
neu vs. alt galten. Man stand daher seitens der Bandhersteller vor der Aufgabe, ein vom Rundfunk über eine Dekade geradezu ersehntes LH-Band in die Nähe der Arbeitspunkte der Vorgängergeneration(en) zu zwingen. Das gelang ganz gut und führte zum 528, das es heute ebenfalls noch gibt. Aufgrund der speziellen Forderungen liegen die elektroakustischen Eigenschaften des 528 geringfügig unterhalb derer klassischen LH-Materials.
Ansonsten: Hochwertige Aufzeichnungen sind schon lange möglich. Profiaufzeichnungen auf LH-Niveau gab es mit AGFAs FR22 schon 1956 (was sich aber aus hier nicht interessierenden Gründen nicht durchzusetzen vermochte), Tonaufnahmen der frühen 50er halten bis heute so perfekt mit, dass sich namentlich ein Laie fragt, worin die Unterschiede zur letzten Zeit der analogen Aufzeichnung denn bestanden haben mögen. Die Ursachen liegen auf der Hand, sollen uns hier aber auch nicht interessieren. Ich habe dazu jede Menge hier und in anderen Foren geschrieben, was durch die Suchfunktionen hier wie dort leicht aufzufinden ist.
Die genannten Bänder nebst 528 und solchen der wieder angeworfenen Fertigung von Zonal kannst du bei den üblichen Verdächtigen (Darklab, Solingen und Bluthard, Stuttgart) neu erwerben. Nicht zuletzt Frank Brattig ist ja 'einer von uns' und berät dich daher auch sachbezogen. Eine Entmagnetsierungsdrossel sollte man vor jeder Verwendung eines Bezugsbandes anwerfen. Zu meiner analogen Großzeit habe ich sie ansonsten nur vor wesentlichen Aufnahmen und etwa wöchentlich bis zweiwöchentlich je nach gefühltem Arbeitsanfall verwendet. Wenn man weiß, was die Drossel soll und tut, woher die zu bekämpfenden Probleme rühren, vermag auch ihren sinnvollen Einsatz abzuschätzen.
Der Kopiereffekt rückt mit ansteigender Bandgeschwindigkeit in den Bereich des Wahrnehmbaren, weshalb die Profiszene (auch) beim Standardband blieb. Unter 38 sinkt die Höhenaussteuerbarkeit des Bandes und der Maschine aber signifikant, ein ordentlicher Musikschnitt ist nicht mehr möglich, der Klirrfaktor steigt an, die Ansprüche an die Fertigungskonstanz der Bänder wird höher, die Aufzeichnung insgesamt schlicht kritischer, weil die Gleichlaufschwankungen höher, die erzielbaren Frequenzgänge schlechter werden. Die Nutzspannungen an den Köpfen und die Dynamiken über Band nehmen ab. Solchen geballten Engpässen setzt sich kein Profi aus, der seine Aufnahmen nachbearbeiten will und muss. Also: 38 und nicht weniger, es sei denn, andere Grenzen (Nagra am Set: "Jetzt wechselt der schon wieder sein Band!!!") drängten sich vor. Da wird dann mit Langspielmaterial und 19 cm/s
als Notbehelf gearbeitet.
Lies als Generaleinführung Friedrich Engels altes Testament, und du weißt Bescheid, denn unter der Oberfläche wartet beim Magnetbandverfahren jede Menge technologischer Engpässe, die für eine hochwertige Aufnahme bewältigt werden mussten/müssen, unterhalb von 38, notfalls 19 aber derart anwachsen, dass Hochwertigkeit zumindest auf Produktionsebene nicht mehr so ohne weiteres möglich ist:
Friedrich Engel, Schallspeicherung auf Magnetband. Leverkusen 1975. (Scan bei mir.)
Dieses sonst nurmehr antiquarisch verfügbare Buch stammt unmittelbar aus der Umgebung des 468 und wurde überdies vom mittlerweile weltweit kundigsten Magnetbandhistoriker verfasst.
Weiter in den Personalien:
Erich Obergfell
ist -wie bereits gesagt- Dachau Studer-Deutschland und in der Rudolf-Diesel-Straße ebendort sicher nach wie vor zu erreichen:
http://www.studer.de/live/48_DEU_XHTML.html
Schon Walter Derrer lebte im Grunde nurmehr im PKW; angesichts einer aus zwei Personen bestehenden Firma sehen sich Zweigniederlassungen auch bereits etwas merkwürdig an, mit einer Person sind sie vollends unmöglich; die Buchführung kann man im Gegensatz zum Service einem Mutterunternehmen in Heilbronn überlassen, das sich dadurch aber schwerlich zur Zweigniederlassung erklären lassen wird.
Den Bogen um die 810 machte ich damals aus historischen, finanziellen und marktstrategischen Gründen, denn das Potenzial der analogen Magnetbandtechnik war für den professionellen Tonmeister in den 1980ern bereits sichtlich ausgeschöpft; man sah nur zu deutlich, dass die Reise woanders hinführen würde.
Meine Zurückhaltung bezüglich der 810-Einmessung rührt aus geringfügig anderen Ursachen als denen, die ich expressis verbis ansprach, denn hinsichtlich grundsätzlicher Erfahrung gerade auch in analoger Technik machen mir zwischen Partitur und Schaltzeichnung tendenziell nur wenige etwas vor; bitte um Vergebung, denn Überheblichkeit ist meine Sache nicht. In diesem Rahmen besteht für mich auch kein Unterschied zwischen einem Ferrophon Max Ihles, einer K4/K8 oder einer M5 (Stereoversion der DGG von 1957 steht bei mir...) oder einer A80, B67, A77ORF "oder alles, was sein ist".
Zum Verständnis der unterschiedlichen Auslegungen von Profi- und Amateurverstärkertechnik musst du dich mit der Geschichte der Technologien befassen, die ja sehr gemeinsame Wurzeln haben, aber in den letzten 50 Jahren nicht notwendigerweise gleiche Ansprüche verfolgten, solange diese finanzielle Folgen haben. Für eine T9 erhielt der Zeitgenosse nämlich einen voll ausgestatteten Oberklassewagen, den man natürlich den zwei Radln auf einer Bandmaschine vorzog, so schwer die auch sein mochte. Mit ihr nämlich war es unmöglich, nach Lecce oder Brindisi zu fahren, was der weniger halb so teure Lloyd aber ohne weiteren Aufwand gestattete. Die auf südlichen Straßen gegenüber einer T9 erhöhte Unfallgefahr musste man halt hinnehmen.
Ob und inwieweit sich ein Mischpültchen der Mackie- oder Behringerklasse (niemand spricht von einer wohnzimmerfüllenden Großanlage von SSL oder Stagetec-Salzbrenner mit 48 Kanälen) für dich als hilfreich erweist, entscheidet sich nach deiner Peripherie; das schrieb ich bereits. Es hilft dir für deine A810 nur nicht unbedingt etwas, wenn dein "Tape Out" irgendeines Verstärkers 300 mV liefert, mit denen du 12 dB unter der Nenn-VA der 810 bleibst. Es hilft dir überdies nichts, wenn der Ausgangswiderstand des angesprochenen Verstärkerausganges mit einer Belastung durch die Senke in der Größenordnung von 20 oder gar 40 kOhm rechnet, während deine 810 mit 10 kOhm daherkommt und die Ausgangsspannung möglicherweise dann auch noch nicht frequenzlinear zusammenbricht. Du musst genau beschreiben, wie du dir die Implementierung der 810 in deine bestehende (und dann genau zu benennende) Anlage vorstellst. Dann lassen sich sinnvolle Konzepte aufstellen. Alternativen wurden ja auch schon angesprochen. Die im letzten Post im diesem Bereich summarisch erwähnten Probleme betreffen die Kompatibilitäten der Aussteuerungsmesswerke, die bei heutigen Mischpültchen genannter Klasse durchwegs keine Spitzenspannungsmesser nach DIN (Messintegrationszeit 10 ms) darstellen, sondern mit in Richtung digitaler Aufzeichnung verkürzten Messintegrationszeiten ausgelegt wurden. Nachdem die gnädigen Hersteller sich dazu in ihren Bedienungsanleitungen selten qualifiziert äußern, hat der Nutzer ein Problem. Ich natürlich nicht, denn ich habe mir (übrigens mailversendbare) Prüfsignale angefertigt, mit denen ich das Verhalten solcher Aussteuerungsmesser auf ihr Verhalten hin untersuchen kann, ohne den Koffer zu öffnen. Überdies will auch ein Mischpult angemessen bedient sein, wenn seine Zwecke erfüllen soll. Studer hält sich bei den umschaltbaren Anzeigen seiner 810 an DIN ("Peak") und ASA ("VU"). Das zu den "Problemen" im Mischpultumfeld, die man sich "potenziell neu" einfängt.
Zur Desymmetrierung fehlen mir keine Erfahrungen. Ich weiß seit allerlei Jahrzehnten genau, was dabei passiert, welche Folgen das hat, wo die Engpässe liegen. Klangliche sind das natürlich nicht. Du musst mir lediglich sagen, ob deine A810 zur Gruppe mit trafogekoppelten Ein- und Ausgängen gehört oder zu derjenigen mit elektronischer Symmetrierung, also ohne Übertrager auskommt, und ich sage dir, was zu tun ist.
Die A810 kannst du gerne in der Besenkammer abstellen, sofern da gewisser Staubschutz gewährleistet ist. Kabellängen sind in der professionellen Technik noch nie ein Problem gewesen. Ohne Fernbedienung und ohne ständiges Hin- und Hergeläuf jedoch kommst du dann aber nicht mehr aus.
Noch einmal: Ein analoges Bandgerät ist inzwischen ein kulturhistorisches Phänomen, das auf interessanteste Weise von seiner Entstehungszeit und dem Sozialgefühl dieser Tage höchstwertig Rechenschaft ablegt bzw. ablegen kann. Mit unseren vom Computerzeitalter letzter Generation geprägten Erwartungen an ein technisches Gerät hat die gesamte analoge Tonaufnahmetechnik nebst ihrer Bedienbarkeit aber noch vergleichsweise wenig zu tun, was sie aber nicht hindert, bis in die Kriegszeit zurück mit extrem hochwertigem Aufnahmegut zu dienen. Hier beginnt sich die neuzeitlich selbstverständliche Qualitätsforderung der Medienindustrie zu etablieren. Höre dir die Raucheisen-Edition an, die kritisches Material aus dem Umfeld der Betriebseinführung des Magnetofones bei der Reichsrundfunkgesellschaft zum 1. Januar 1942 bereitstellt.
Hohe Qualität konnte -in der Frühzeit allemal- aber nur zustandekommen, weil (bzw. wenn) die Beteiligten Kundigkeit erworben hatten und so die ihnen zur Verfügung stehenden Apparaturen auch psychoakustisch trickreich nützten. Auf diesen Entdeckerpfad kannst du, darfst du dich auch heute noch begeben.
Hans-Joachim