Hallo Benny,
2"-24-Spur Analog Produktion, da wird mir wieder richtig warm ums Herz. Lang, lang ist´s her ( 1990-1995 ). Man musste sich im Vorfeld schon immer Gedanken machen, wie man die 23 Spuren zum Aufnehmen am besten organisiert. Die ersten 8-10 Spuren waren prinzipiell für D´n´B geblockt. ( BD=1 ; SD=2 usw. ).Das war auch auf der Konsole schon immer so fest geroutet, da wurde auch nichts umgestöpselt )Wenn noch eine Loop dazu kam konnten schon mal 12 fix weg sein. Hauptsache die Rhythmsection stimmt. Wir haben damals sogar lieber die Backings komplett gesamplet und auf 2 Spuren draufgespielt, als an die Drumspuren dran zu gehen.
Mein grosser "Mentor" hatte mir damals eine kleine Hausaufgabe zum Thema Spurorganisation gegeben: " Hör Dir mal "Calling America" von E.L.O. an und zähl mal die ganzen Spuren..." da bist Du schon bei über 20 bevor der Refrain überhaupt einsetzt. Du zählst allein 12 Harmonyspuren beim Gesang im Refrain. Wie hat er das wohl damals ( 1984 ) gemacht ?
War eine schöne Zeit, aber auf die Punch-In/Punch-Out Orgien mit langsamen Sängern oder angetrunkenen Gitarristen zusammen mit den Umspulzeiten und genervten Tape-Ops kann ich dankend verzichten. Da liebe ich doch jetzt mein LogicPro bzw. ProTools9 und gönne mir anstatt eines neuen 2"-Tapes ein flottes Plug-In oder eine Back-Up HD. Die Audio-Algorithmen der neuesten Softwaregeneration haben extrem hörbare Fortschritte gemacht, sodass auch ausserhalb ProTools HD mit den entsprechenden Wandlern professionelle Ergebnisse möglich sind und die hörbaren Unterschiede zwischen Analog und Digital mittlerweile wirklich marginal geworden sind. Mastere aber trotzdem noch bei Bedarf auf meiner A-80 analog.
Nun zu dem, was Rudy gepostet hat:
Übersprechen lässt sich tatsächlich nie ganz vermeiden; ist ( wie Rudy richtig gesagt hat ) bei einer Produktion aber relativ unwichtig, da man es im Gesamtmix ( so lange sie nicht auf Busse mit unterschiedlichen Delays oder Hallräumen geroutet sind ) nicht hört. Bei leisen Passagen gated man eh´die unerwünschten Parts beim Mixdown weg. Das ist das gleiche Prozedere, wie das Übersprechen des Playbacks im Kopfhörer der Sänger oder bei der Aufnahme von Akustikgitarren usw.
Trotzdem lege ich natürlich normalerweise keine sanften Streicher neben eine Bassdrum oder Snare Spur ( man kann aber durch Überkomprimierung tolle Ducking Effekte erreichen, wenn man das trotzdem macht ).
Das Übersprechen ist auch dadurch bedingt, dass man bei den Mehrspurmaschinen zugunsten der Spurbreite ( und somit Dynamik ) eher auf den Rasen verzichtet wird und diesen kleiner hält als bei einer klassischen 1/4" 2-Spur.
Mit den Japan-Spielzeugen E-16, MSR-24, R-8 usw. kann man bestenfalls Kellerdemos erstellen. Nehmen wir mal eine Fostex E-16 her: 16 Spuren auf einem 1/2" Band mit Dolby-C = Statisches Zweiband-Rauschunterdrückungssystem auf einer Spurbreite kleiner als ein Kanal einer Stereospur auf einer Compact-Cassette bei 38cm/s ?!? Ohne Worte...
Selbst im günstigsten Fall teilen sich immerhin noch drei Spuren die 6,25mm im Vergleich zum 1/4" 2-Spur Format.
Wenn man bedenkt, dass es die grossen 24-Spurer im Verhältnis noch gar nicht mal so lange gibt; und die Spanne von der Einführung der ersten 16-Spur 2" bis zur ersten 24-Spur DASH bzw AKAI ADAM Systeme noch nicht mal 15 Jahre betrug, war es nicht nur der Vorteil, dass Musiker von nun an zeitlich unabhängig voneinander Aufnehmen konnten. Es war auch ein neues kreatives Medium der Produzenten, wie nie zuvor. Sänger konnten sich doppeln und ihre eigenen Harmonies singen. Der Gitarrist konnte sein eigenes Solo nun Terz-Quint-Parallel doppeln. Der Drummer konnte seine eigenen Percussions einspielen. Es konnen Remixe erstellt werden oder alles bei Bedarf neu Arrangiert oder Instrumentiert werden.
Bei sehr vielen Produktionen in den USA heutzutage wird in Logic komponiert und arrangiert, auf 24-Spur 2" oder sogar auf 2x2"Sync = 48-Spur überspielt ( besonders beliebt: Studer A-820 Mch oder A-827 ), dann in ProTools editiert, gemischt und anschliessend auf 1"- 2-Spur gemastert ( Es gibt in den Staaten tolle Umbaukits für A-80 & A-820 auf 1"- 2-Spur, die ein kleines Vermögen kosten... naja, wers´unbedingt braucht...) Daher auch dieser unglaublich fette Sound, den unsereins immer vergeblich versucht hinzubekommen.
Trotz aller Nostalgie werde ich es trotzdem gleich geniessen, einfach noch kurz meinen Apfel-Pro hochzufahren und noch ein bischen in PT9 an einem Projekt weiter zu Arbeiten, speichern, und morgen dann weitermachen, ohne, wie früher, die ganze Batterie anzumachen, rumzuspulen, das Mischpult nicht anzufassen, da der letzte Mix noch aufliegt, die Effektgeräte einzustellen usw. usw. usw.; da bin ich wirklich lieber im "Total-Recall-2011"...
Falls Du noch spezielle Fragen zu Analog-Recording oder Vinyl-Mastering hast,
schick mir einfach das Mail über PM. Will nicht das Forum hierfür sprengen...
Ansonsten viel analogen Spass beim Mucke machen und Aufnehmen.
Grüesse,
Jesn